Originaltitel: FORBRYDELSER
DK 2003, 102 min
Verleih: Concorde
Genre: Drama
Darsteller: Ann Eleonora J¿rgensen, Trine Dyrholm, Nikolaj Kopernikus, Lars Ranthe
Stab:
Regie: Annette K. Olesen
Drehbuch: Kim Fupz Aakeson
Kinostart: 09.09.04
Annette K. Olesens letzter Film hieß KLEINE MISSGESCHICKE. Er war gar nicht schlecht, ein bißchen tragisch, ein bißchen komisch. Hier aber macht sie Schluß mit Kleinigkeiten, um wieder große Fragen zu stellen, endlich. Für Kate und Anna, die Komplementär-Figuren von Olesens Tragödie um Schuld und Glauben, gibt es keine Kompromisse. Im Gefängnis treffen sie aufeinander, die eine als Häftling, die andere als Pfarrerin. Übersinnliche Kräfte soll Kate haben, unter ihren Händen will auch hier eine Mitinsassin von der Heroinsucht geheilt worden sein.
Anna glaubt an andere Heilsversprechen. Für sie ist es der erste Job als Seelsorgerin. Und dann ist Anna plötzlich schwanger, obwohl ihr kein Arzt mehr Hoffnung machen konnte. Kate hatte das vorausgesehen. Sie sah (oder sagte) nicht, daß Annas ungeborenes Kind einen Chromosomenfehler haben würde. Während die Pastorin erfährt, daß Kate einst im Drogenrausch ihre Tochter verdursten ließ, erwägt sie selbst einen Mord - die Abtreibung.
Warum zum Teufel läßt Gott zu, daß Verbrecher gesunde Kinder kriegen? Warum zur Hölle stürzt nicht der Himmel über moralisch einwandfreien aber kranken Chromosomen zusammen? Dogma Nr. 34 hat keine Antworten, aber die künstlerische Kraft, das auszuhalten. Beinahe posthum bringt die dänische Puristen-Revolte einen Film hervor, der zeigt, welche gewaltigen Stoffe unter den selbstgewählten Beschränkungen zu bewältigen sind, welche Differenzierungen sie zulassen. Eindrucksvoll nutzt Olesen die Möglichkeiten der Handkamera, sich zwischen Intimität und Objektivität hin und her zu zoomen. Sie kann nicht jede Situation überblicken, schon gar nicht in Seelen schauen - aber auf Annas verkrampfte Hände. Mit Naturlicht und ohne Musik kann man kein vor Düsternis besoffenes Verließ nachmalen, nur ein Verwaltungsgebäude, in dem Dealerinnen und Mörderinnen Alltag sind - und auch so aussehen.
Drinnen scheitert Kates Liebe zu einem Wärter, draußen endet die von Anna zu ihrem Mann. Er will nicht entscheiden, er will sich versichern - auch für Chromosomenschäden gibt es Statistiken. Wahrscheinlich ließe sich die Ungewißheit über letzte Dinge in rauschhaften Bildern besser betäuben. Aber diese Nüchternheit ist ehrlicher.
[ Sylvia Görke ]