D 2024, 125 min
FSK 12
Verleih: Pandora
Genre: Drama, Biographie, Historie
Darsteller: Liv Lisa Fries, Johannes Hegemann, Lisa Wagner, Alexander Scheer
Regie: Andreas Dresen
Kinostart: 17.10.24
Es ist nicht einfach, auf einen Film neugierig zu machen, dessen erschütterndes Ende von vornherein feststeht. Die Fakten dürften bekannt sein: Das Ehepaar Hilde und Hans Coppi wurde 1942/43 aufgrund vermeintlichen Hochverrats vom Naziregime zum Tode verurteilt. In der DDR wurden sie und andere Mitglieder der sogenannten „Roten Kapelle“ als Märtyrer idealisiert – auch in Leipzig gibt es einen Coppi-Platz und eine Coppi-Straße. Im Westen hingegen haftete ihnen lange der Ruf als Landesverräter an, erst 2009 wurden sie und andere offiziell vom Bundestag rehabilitiert. Dabei bewegten sich die Taten der Coppis und ihrer Mitstreiter vor allem auf der Ebene des symbolischen Protestes: Unter anderem schrieben sie Briefe an die Angehörigen von Frontsoldaten, hörten heimlich Radio Moskau ab und versuchten, Funksprüche in die UdSSR zu schicken. Doch das Regime fühlte sich davon anscheinend so bedroht, daß es selbst den kleinsten Dissens mit drakonischen Strafen ahndete. Ein noch heute in Diktaturen verbreitetes Verfahren.
Regisseur Andreas Dresen tut gut daran, nicht die politischen Aktionen der Widerständler in den Fokus zu rücken. Zwar werden sie immer wieder in Rückblenden aufgegriffen, aber Zentrum der Handlung ist Hilde Coppis Zeit im Gefängnis. Verhaftet wird sie gleich zu Beginn bei der Erdbeerernte im Schrebergarten. Da ist Hilde hochschwanger, ihren Sohn wird sie hinter Gefängnismauern zur Welt bringen. Acht Monate lang darf sie ihn noch aufziehen, bevor sie hingerichtet wird. Im Grunde ist IN LIEBE, EURE HILDE ein Film über die persönliche Stärke eines Menschen in einer ausweglosen Situation.
Die wagemutige Liv Lisa Fries spielt Hilde ganz zurückgenommen als eine eher stille Frau, die sich Anstand und Integrität auch unter den schwierigen Bedingungen der Haft bewahrt. Keine Heroine oder Heilige, deren Entschlossenheit niemals wanken würde, sondern ein Mensch mit einem starken inneren Kompaß. Die Kraft dafür zieht sie aus ihrem Kind, dem anfangs keine großen Überlebenschancen eingeräumt werden. Ihr Sohn ist für Hilde die einzige Verbindung in eine Zukunft, die ihr selbst verwehrt bleibt. Dresen zeigt schonungslos realistisch, was es heißt, ein Kind unter diesen Umständen zur Welt zu bringen, es zu ernähren und zu versorgen. Das reicht bis zu den Milchflecken auf dem Kittel.
Erleichterung zu den düsteren Gefängnisszenen verschaffen die Rückblenden, die von Hans’ und Hildes Kennenlernen erzählen, von ihren Widerstandsaktionen, aber auch von ihrer Liebe. Man sieht junge Menschen beim Campen, am See, im Café– hier gibt es Luft, Licht und Musik. Manches mutet an wie ein Kinderspiel. Der Film zeigt bewußt den Alltag der Widerständler, um sie vom Heldensockel herunterzuholen, auf den sie zu DDR-Zeiten gestellt wurden. Es schienen Menschen wie Du und ich.
Dresen, dessen Filme – sieht man von GUNDERMANN einmal ab – bislang überwiegend in der Gegenwart angesiedelt waren, wagt sich mit IN LIEBE, EURE HILDE zum ersten Mal an einen historischen Stoff. Allerdings greift er nur so weit wie nötig auf historisierende Elemente zurück. Die Geschichte kommt bei ihm vor einer möglichst zeitauthentischen Ausstattung. Und er vermeidet die sattsam bekannten Standards des NS-Films: Es gibt weder wehende Fahnen noch marschierende Kolonnen oder brüllende Nazischergen in Uniform. Stattdessen zeigt er auch die Mittäter als Menschen. Ein Polizeikommissar bietet der Verhafteten fürsorglich Leberwurststullen an, nur, um sie am Ende doch vor Gericht zu schicken. Eine Gefängniswärterin wandelt sich subtil vom kalten Biest zur Fürsprecherin für Hildes Gnadengesuch. Man merkt, wie die Menschen im System gefangen sind, das sie nicht unbedingt zu 100 Prozent gutheißen, aber eben trotzdem mitlaufen … Menschen wie Du und ich.
Dresen und seine langjährige Drehbuchautorin Laila Stieler schonen uns nicht, aber sie haben doch Erbarmen. Hilde sieht noch einmal das Sonnenlicht, ein Pfarrer (phänomenal: Alexander Scheer) spendet ihr vor dem letzten Gang etwas Trost, und der kleine Hans überlebt – ebenso wie die Hoffnung in düsteren Zeiten.
[ Dörthe Gromes ]
Passage Kinos: 15:30
Regina Palast: 18:30
Cineplex: CineArt 12:30
Passage Kinos: 15:30
Schauburg: 19:00
Regina Palast: 18:30
Schauburg: 19:00
Alle Angaben ohne Gewähr!