D/I 2018, 120 min
FSK 12
Verleih: Pandora
Genre: Drama, Science Fiction
Darsteller: Hans Löw, Elena Radonicich, Michael Wittenbom
Regie: Ulrich Köhler
Kinostart: 22.11.18
„There’s A World Where I Can Go/And Tell My Secrets To/In My Room/In My Room/In This World I Lock Out/All My Worries And My Fears/ In My Room/In My Room …“
Diese traurig-schöne Ballade der Beach Boys trägt nicht zufällig den gleichen Titel wie der neue Film von Ulrich Köhler. Sein Protagonist Armin ist um die 40, Medienschaffender in Berlin und eins dieser freischwebenden Atome ohne enge emotionale Bindungen. So schlurft er durch den grauen Novemberniesel, bis ihn ein Anruf seines Vaters in seine alte Heimat im Südwesten des Landes zurückruft: Armins Oma liegt im Sterben.
Die gut halbstündige Exposition sieht aus wie klassisches deutsches Befindlichkeitsdrama in einem nüchtern-realistischen Dokustil. Doch dann entscheidet sich Köhler, dessen schmales Œuvre für eine sehr mutige Form des Erzählens steht, für einen radikalen Schnitt: Über Nacht sind plötzlich alle Menschen verschwunden, nur Armin ist noch da. Das Warum bleibt ungeklärt, und es ist auch nicht wichtig. Denn trotz seines Science-Fiction-artigen Settings ist IN MY ROOM keineswegs ein Endzeitdrama, sondern die filmische Exploration eines Gedankenspiels: Was macht es mit einem Menschen, auf einmal alle Freiheit der Welt zu besitzen und an keinerlei zivilisatorische Regeln mehr gebunden zu sein? Wie setzt er sich ohne andere Mesnchen in Beziehung zur Welt? Und was passiert, wenn dann doch noch gänzlich unerwartet die Liebe über ihn hereinbricht?
Nachdem er seinen Protagonisten allein in der Welt zurückließ, macht der Film einen unbestimmten zeitlichen Sprung. Es ist der schönste Sommer, aus dem schlaffen Städter ist ein kerniger Naturbursche geworden. Armin lebt unweit seiner Heimatstadt in einem einfachen Haus mitten in der Natur, hält ein paar Tiere und betreibt Ackerbau. Alles, was er nicht selbst produzieren kann, findet sich noch in den verlassenen Geschäften der Stadt, in die er ab und zu mit seinem Pferd reitet. Die Hinterlassenschaften der Zivilisation werden mehr und mehr von der Natur zurückerobert. Diese Lost Places geben ein abgründig-romantisches Bild von der Vergänglichkeit menschlichen Schaffens.
Die durchaus irritierende Botschaft: Armin geht es nach dem Verschwinden aller gesellschaftlichen Zwänge besser als je zuvor. Er lebt die Utopie vom autarken, selbstbestimmten Dasein in der Natur – freilich um den Preis existentieller Einsamkeit. Doch auch im Paradies der Selbstgenügsamkeit bleibt auf Dauer nichts, wie es ist.
[ Dörthe Gromes ]