Originaltitel: INSIDE DEEP THROAT

USA 2004, 88 min
Verleih: Constantin

Genre: Dokumentation, Historie, Erotik

Darsteller: Gerard Damiano, Harry Reems, Norman Mailer, Gore Vidal, Erica Jong, Hugh Hefner, Larry Flynt, Ruth Westheimer

Stab:
Regie: Fenton Bailey, Randy Barbato
Drehbuch: Fenton Bailey, Randy Barbato
Produktion: Fenton Bailey, Randy Barbato

Kinostart: 11.08.05

Noch keine Bewertung

Inside Deep Throat

Abstecher in erogene Zonen

Vor dem Januar 1972 konnte man in US-amerikanischen Kinos noch vom Fußboden essen. Die paar Sexkrümel, die Brigitte Bardot oder Marilyn Monroe auf der Leinwand liegen ließen, wischte Doris Day mit dem Lappen auf. Nach BB, MM und DD kam aber nun LL. Linda Lovelace, Hauptdarstellerin in DEEP THROAT, schluckte Schwänze, daß es Männern den Atem und Frauen den Appetit verschlug. Als einer der ersten seines Genres war ein Porno auf blütenreine Leinwände gekleckert - und sollte sich trotz Verbot weder von Zensoren noch Republikanern, noch Richtern oder Polizei wieder aus dem gesellschaftlichen Diskurs herausschrubben lassen.

Damiano, der Regisseur des komödiantischen Schmuddelfilms, dichtete seiner Muse damals die Klitoris in den Hals. Vorliegende, angesichts des Sujets durchaus züchtige Dokumentation erkundet nun andere erregbare Zonen: die USA der frühen Siebziger, das politisch-moralische Klima der Ära Nixon, den Zusammenstoß des rechtskonservativen Establishments mit einer sexuell neugierig gewordenen Öffentlichkeit, die für ihre freie Meinungsbildung nun auch die Freiheit der persönlichen Anschauung einforderte. Bailey und Barbato beackern also ein weites, buntes Feld. Bei der Ernte helfen Originalaufnahmen, vor allem aber Gesprächspartner wie Damiano, der sich rückblickend als Autorenfilmer beschreibt und davon träumte, daß Hollywood und Pornodschungel zusammenwachsen, sein damaliger Hauptdarsteller Reems, der ins Gefängnis mußte, ergänzt um Statements von allerlei Prominenz.

Daraus ergibt sich eine Filmcollage, die nun zwar auf unterhaltsame Weise jenes Zeitflair aus Boah, Igitt und Ohgott greifbar macht, aber doch etwas luftig über manch Interessantes hinweg fliegt. Die tragische Geschichte der Linda Lovelace, zum Beispiel, in der sich die Paradoxien der feministischen Bewegung geradezu kristallisieren, oder auch die mafiösen Strukturen hinter den Pornokulissen. Brisanter ist diese Dokumentation dort, wo sie manchem Schlund der US-Gegenwart den Wunsch nach moralischem Großreinemachen ablauscht. Und sie bringt einem das Staunen bei: über ein anatomisch fragwürdiges Filmchen, das ein ganzes Land bis heute beschäftigt und darüber zum wahrscheinlich erfolgreichsten Independent-Film überhaupt wurde.

[ Sylvia Görke ]