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Inuk

Schnee, der auf Seelen fällt

Jenseits der Naturdokumentation ist Grönland im Film immer noch Terra incognita oder doch meistens romantisch-enigmatische Projektionsfläche, etwa für die Gefühlswelt eines Fräulein Smilla. Dabei hört man doch von einer genuin grönländischen, sogar wachsenden Filmindustrie, in der endlich Tacheles geredet werden könnte über das Gespür für Schnee der Inuit. Das und noch viel mehr hat sich INUK, diese größtenteils mit Laienschauspielern besetzte Parabel über die kulturelle Selbstvergessenheit und wie man sich wieder einfällt, auf die Fahnen geschrieben.

Sie beginnt mit einem Kind im Hundeschlitten und einem Blick auf den vorauseilenden Vater, der unter dem morschen Eis für immer verschwindet. Das Kind wächst zum Teenager heran. Inuk heißt der Junge, was auf Inuktitut soviel wie „Mensch“ bedeutet, und lebt inzwischen mit seiner Mutter und vielen Bierflaschen in der Hauptstadt Nuuk. Als ihn die Polizei nachts auf der Straße aufgreift, wo er Ruhe vor den Trinkgästen der Mutter suchte, wird Heimunterbringung angeordnet – in Uummannaq, hoch im frostigen Norden, wo sich Robbe und Eisbär gute Nacht sagen. Weder das freundliche Zimmer noch die quirlige Naja können Inuk mit der neuen Situation versöhnen. Erst als Ikuma und seine Kollegen die Kinder mit auf die Jagd nehmen, als Inuk die Peitsche in der Hand und den Eisboden unter den Füßen spürt, taut etwas in ihm auf.

Angesagte Turnschuhe auf abschüssiger Schneepiste, ein geliehener MP3-Player in unbezahlbarer Stille, ein Markenrucksack baumelnd am No-Name-Hundeschlitten. Über solche handgreiflichen Gegensätze erzählt Mike Magidson in seinem Spielfilmdebüt von einer Heimkehr der Seele(n). Die volksmärchenhaft schlichte Fabel weist mit jedem Schwenk ins gleißende Weiß, mit jeder Teenie-Verstocktheit und urväterlichen Weisheit über sich hinaus. Aber wohin? Auf keinen Fall in eine filmische Nische, scheint sich der gebürtige Kalifornier Magidson geschworen zu haben. Denn er kommt nicht nur der Lust des Publikums auf betörende Bilder und kräftige Sinnentfaltung weit entgegen, sondern auch jener Bequemlichkeit, mit der man seine schmalen Kenntnisse über Entwurzelung, Resignation und globales Tauwetter gerne bestätigt sieht.

Mit mehreren Festivalpreisen wurde dies goutiert, beinahe sogar mit einer OSCAR-Nominierung. Und das trotz eines dieser Allerwelts-Ethnopop-Klangteppiche, auf denen die Ohren ins Schlurfen geraten.

Originaltitel: INUK

Grönland/F 2010, 90 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen

Genre: Drama, Poesie

Darsteller: Gaba Petersen, Ole Jørgen Hammeken

Regie: Mike Magidson

Kinostart: 07.02.13

[ Sylvia Görke ]