D 2024, 109 min
FSK 12
Verleih: Piffl

Genre: Drama

Darsteller: Minna Wündrich, Pia Hierzegger, Lukas Turtur

Regie: Eva Trobisch

Kinostart: 20.06.24

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Ivo

Refugien des Sterbens

Am Jesus-Kreuz im Park geht es achtlos vorbei. Für religiöse Hinwendungen ist im provokanten neuen Drama von Eva Trobisch kein Platz. Durch die Augen der titelgebenden Palliativpflegerin Ivo fängt Trobischs Film erschütternde, schmerzhaft ehrliche Momente des Sterbens in einer spätkapitalistischen, entzauberten Welt ein. Sie umfassen das Geschäft mit dem Tod, kühle Pragmatik im Testen und Anpreisen von allerlei Gestell und Maschinerie, die das Dahinsiechen erleichtern sollen.

IVO begleitet Arbeiter, die mit dem Sterben ihr Brot verdienen und dabei seelische Barrieren errichten, um das Lebensende als Routine und Tagesgeschäft zu verkraften. Nur was, wenn es plötzlich einen geliebten Menschen trifft? Von dieser Herausforderung erzählt IVO als unaufgeregte, offen gehaltene und widerspenstige Seherfahrung, die konventionelle Zuspitzungen, Spannungsbögen und Sensationen bewußt scheut. Von Job zu Job zieht Ivo, um die Vitalwerte ihrer Patienten zu checken: der Mensch als vermeßbares Wesen? Im Privaten versucht er, mit seinem Vergehen und Ausscheiden aus der schnellebigen, auf Produktivität gedrillten Welt fertig zu werden.

IVO durchstreift schummrige Übergangszonen und Rückzugsräume: Gärten, Wohnzimmer, ein Auto als Schutzpanzer, in dem Ivo zwischen den Sterbenden umherfährt, in dem hier und da ein paar Tränen kullern dürfen, bis die Rührung wieder dem klinischen Blick weichen muß. Er fällt auf Orte, Körper und Details, die erst unscheinbare, aber bei näherer Betrachtung so kluge, eindringliche, vielsagende Bilder ergeben, wie sie nur eine der aktuell spannendsten deutschen Regisseurinnen auf die Leinwand bringen kann.

[ Janick Nolting ]