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Jagdhunde

Über familiäre Erosionen und Kommunikationsprobleme

Die Nachbarn sind alles andere als entgegenkommend, Lars und sein Vater werden ignoriert, sie sind fremd, sie gehören hier eigentlich gar nicht hin - in der schönen, tiefverschneiten Uckermark ist für Eindringlinge aus der Großstadt kein Platz. Das wird vor allem zu Weihnachten deutlich, als der Junge emsig an den Türen schellt, um die Nachbarschaft zur Weihnachtsfeier einzuladen. Diejenigen, die dieser Offerte mit eisigem Schweigen begegnen, gehören noch zu den netteren. Anderen könnte Lars’ Vater eigentlich gleich ein paar in die Fresse hauen, was bei einem Darsteller wie Josef Hader dann auch noch recht sympathisch und logisch klingt. Dann trifft Lars auf das stumme Mädchen Marie, sein Vater fängt mit seiner frisurentechnisch unentschiedenen Schwägerin was an, sein Noch-Frau taucht auf, mit einem blutjungen Mann an ihrer Seite. Das Leben geht also weiter, Frohes Fest!, möchte man meinen ...

Der Regiedebütantin Ann-Kristin Reyels ist etwas gelungen, woran sich viele deutsche Filmemacher vor ihr die Zähne ausgebissen und das Terrain den Franzosen überlassen haben: eine Tragikomödie über familiäre Erosionen, über die Schwierigkeit zu kommunizieren, über die Grenzen der Belastbarkeit der Jüngeren, über die egozentrische Infantilität der Erwachsenen - ein sehr komplexer Film also. Dennoch ein leichtfüßiger, weil Reyels um das Absurde im Miteinander weiß, weil sie die Verwundbarkeiten ihrer Figuren kennt, weil sie das Komische im Tragischen entdeckt.

So fallen ihr zur Weihnacht zwei sehr gegensätzliche Szenarien ein: sie läßt ältere, wohlbeleibte Damen in einem Altenheim mit Lars ausgelassen Tischtennis spielen, in wagemutigen Kittelschürzen! Und diejenigen, die sich über ihre hausgemachten Probleme an die Wand quatschen müssen, werden in einer Tafelrunde mit zähem Kaninchenbraten zusammengebracht, um in einer Parade der Bösartigkeiten Tritt zu finden. Manches wirkt improvisiert, manches sehr genau beobachtet, genau diese Symbiose macht aus JAGDHUNDE einen Film, der die Einfachheit und das Verkorkste seiner Helden so glaubwürdig macht. Und dafür braucht Reyels gottlob auch keinen der mittlerweile zu gern im deutschen Sozialkino eingesetzten Schlager.

D 2007, 88 min
Verleih: Zauberland

Genre: Tragikomödie, Erwachsenwerden

Darsteller: Constantin von Jascheroff, Josef Hader, Ulrike Krumbiegel, Marek Harloff

Regie: Ann-Kristin Reyels

Kinostart: 18.10.07

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.