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Joe Strummer – The Future Is Unwritten

Die sieben Leben eines Punkrebellen

Man kann in Dokus über verstorbene Musiker viel falsch machen - die Bandbreite reicht vom uninspirierten Aneinanderreihen von Interview-schnipseln bis zur sensationsheischenden Illustration des Dramas von der Ambivalenz des Ruhmes. Joe Strummers Leben hätte ohne allzu viel Mühe in dieses blitzlichttaugliche Korsett gepaßt: der Musiker war der Kopf der legendären Punkband The Clash, die den intelligenten Gegenpart zu den Sex Pistols bildeten. The Clash standen für gesellschaftlich engagierten Punk-rock, der politisch nie ein Blatt vor den Mund nahm. Der charismatische Sänger Strummer wurde schon zu Lebzeiten wie eine Legende verehrt - und verzweifelte fast daran.

Nach der Auflösung der Band begann er deshalb, radikal alles Gewohnte in Frage zu stellen und machte das Experiment zu seinem neuen Medium: Er schrieb die Soundtracks für verschiedene Filme, arbeitete als Schauspieler, sang für die Pogues, bereiste die halbe Welt auf der Suche nach wahrhaftigen Begegnungen, lief Marathon, wurde zum Radiomoderator und entdeckte die elektronische Musik. Was auf den ersten Blick nach einem schweren Fall von Midlife-Crisis aussieht, wurde Joe Strummers neues Lebensmotto: "Leave The Big Track, Find Your Own Mousetrail".

Der Regisseur Julien Temple verknüpft virtuos die Zeit der kameratauglichen Exzesse des 20jährigen Punkrebellen mit seinem kraftvollen Texten und den oftmals zweifelnden, fast philosophischen Überlegungen späterer Jahre. Gerade diese Gegenüberstellung zeigt, daß Strummer im Laufe der Jahre nichts von seiner Ausstrahlung verloren hat und vielleicht sogar noch innovativer, anarchischer und risikofreudiger geworden ist. JOE STRUMMER gelingt das seltene Kunststück, seinem Protagonisten in dieser Beziehung in nichts nachzustehen. Der Film pfeffert dem Zuschauer die Ideen, die Träume und die kraftvolle Musik Strummers in einer wilden Kaskade um die Ohren: roh, zerrissen und authentisch.

Freunde wie Jim Jarmusch, Matt Dillon und Johnny Depp zeichnen ein durchaus widersprüchliches Bild des Sängers, das an keiner Stelle glatt gebügelt wird. Wenn man nach zwei Stunden das Kino verläßt, dann nicht ohne das dringende Bedürfnis, endlich auch das eigene Leben umzukrempeln.

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.