Originaltitel: JULIA
F 2007, 138 min
Verleih: Kinowelt
Genre: Drama, Thriller
Darsteller: Tilda Swinton, Saul Rubinek, Aidan Gould
Regie: Erick Zonca
Kinostart: 19.06.08
Hoch die Tassen, rein ins Glitzerkleid, rauf auf die Tanzfläche, ran an die Männer. Daß dabei der Schnaps eher Fusel und das kurze Glänzende ein wenig zu eng ist, die Hits aus den 80ern und die Männer verheiratete Schlappschwänze sind - das gehört einfach dazu bei einer wie Julia. Das Aufwachen auf unbequemen Parkplätzen und mit Pelz im Mund ebenso. Julia ist eine ziemlich derbe Frau, so eine, die schrill mit Zunge draußen lacht, die sich ohne zweite Aufforderung an die Wäsche gehen läßt, nur um kurz darauf den ganzen Schmutz der Welt runterzuspülen, mit Hochprozentigem. Julia ist ein großes böses Mädchen, das permanent Bestätigung braucht, das flucht, kotzt, einsam ist, kurzum: sie ist ziemlich im Eimer. Julia verliert ihre Arbeit, der ihr wohlgesonnene Mitch kann dies nicht verhindern, und ausgerechnet bei den AAs tut sich ihr eine echte Chance auf. Nicht unbedingt die zum Trockenwerden, eher eine, die mit rasch verdientem Zaster zu tun hat. Eine junge Mexikanerin haut sie an, ihren Sohn zu entführen, der gegen ihren Willen bei seinem Großvater wohnt. Julia lehnt vorerst entrüstet ab, doch Schnaps ist teuer, die Lage prekär, und schon sitzt sie im Wagen mit der Knarre im Anschlag ...
Jetzt wechselt die Szenerie, der Film geht "nach draußen", jetzt verändert sich auch der Tonfall des als klassisches Trinkerschicksal begonnenen Dramas. Mit der Entführung des gerade 8jährigen Tom kriegt die Geschichte das Tempo, das sie fortan braucht, und die Kulisse verwandelt sich aus schummrigen Bars in die Endlosigkeit der Grenzwüste zwischen den USA und Mexiko, das betrunkene Torkeln in engen Gassen weicht dem Rasen mit einem geklauten Auto über gelb-braune Erde. Ein klares Bekenntnis zum Thriller schließlich zeigt sich bei der Begegnung Julias mit hartgesottenen Typen in Tijuana. Dem Regisseur beim doch ziemlich wagemutigen Spiel mit den Elementen verschiedener Genres ein Vorwurf zu formulieren, ist Unsinn, vielmehr versteht er einfach was vom Kino, zu dem das Variieren von Tempi und Loci schlicht gehört. Beim Beschreiben einer derart abgefahrenen Verzweiflungstat sowieso.
Bei aller Verve, mit der Erick Zonca seine Geschichte erzählt, ist er ein in den Mitteln sehr ökonomischer Fabulierer, ohne Mätzchen, ohne das ewig gleiche Zukleistern von stimmungsmachender Musik setzt er das Getriebene seiner Hauptfigur brillant um. Was natürlich und vor allem auch durch die geniale Besetzung Tilda Swintons gelingt. Diese Frau ist einzigartig, wie sie im Nano-Moment eines Augenaufschlags sexy sein und zugleich obszönes Satzgewürg wie "Fuckin’, Fat Ass, Bitch" fluchen kann, ist allein die Reise wert. Tilda Swinton bekommt neben vokalen Entgleisungen aber auch die Möglichkeit mit perfekt abgestimmten Dialogen ihre Figur zu "erklären." Die ätherische Swinton wird zur abgerissenen Julia, sie ist in jedem Moment glaubhaft, als verzweifeltes Wrack, als aufreizendes Flittchen, als um sich beißende Ersatzmutter.
Und daß hier die Mexikaner, die den entführten Jungen aufs Neue kidnappen und ihm und Julia zur echten Bedrohung werden, nun mal reine Schurken sind, ist weniger dem Aufliegen eines Klischees geschuldet, sondern sehr nachvollziehbar für jeden, der schon mal in Tijuana war ...
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.