Originaltitel: JULIET, NAKED

USA/GB 2018, 98 min
FSK 0
Verleih: Prokino

Genre: Romantik, Komödie, Literaturverfilmung

Darsteller: Rose Byrne, Ethan Hawke, Chris O’Dowd

Regie: Jesse Peretz

Kinostart: 15.11.18

4 Bewertungen

Juliet, Naked

Warmes für den Herbst

Ja, der Sommer war groß. Und das so sehr, daß wohl selbst Sonnenanbeter sich nach herbstlicheren Tagen zu sehnen begannen. Nach einer Zeit, in der sich, wie der Bildungsbürger zu zitieren weiß, die Schatten auf die Sonnenuhren legen und in den Fluren die Winde losgelassen werden. Und in der einen schnell auch mal die Lust nach einer herzenswarmen Geschichte ankommt. Eine Geschichte, die lustig ist. Aber nicht zu sehr. Die außerdem Melancholie in sich trägt. Aber nicht zu viel. Die mit sympathischen, witzigen Typen wie Du und ich und dem Bildungsbürger von nebenan aufwartet. Mit Typen also, die natürlich ihre Fehler und Schwächen haben und denen bei aller Normalität trotzdem auch das Ungewöhnliche nicht abgeht, das, wie wir hoffen, ja in uns allen schlummert.

JULIET, NAKED ist so eine Geschichte. Geschrieben hat sie Autor Nick Hornby, was manchem schon als Empfehlung ausreichen mag. Die Verfilmung ist Regisseur Jesse Peretz angegangen. Ein Mann übrigens, der einst, bevor er das Metier wechselte, bei der Indie-Band The Lemonheads den Baß bearbeitet hat. Was für JULIET, NAKED durchaus auch eine Art Empfehlung ist.

Tucker Crowe war mal eine leuchtende Hoffnung am Popfirmament. Ein Rockmusiker der innovativen, der sozusagen künstlerisch wertvollen Sorte. Was indes schon 25 Jahre her ist. „Juliet“ hieß das Meisterwerk, das er damals noch veröffentlichte, bevor er von einem Tag auf den anderen spurlos verschwunden ist. Ein Rätsel, dessen Lösung die meisten Menschen kaum interessiert. Abgesehen von jener übersichtlichen, aber zähen Fangemeinde, die auch nach einem Vierteljahrhundert noch treu von Tuckers Musik zehrt. „Crowologen“ – unter denen Duncan einer der versiertesten ist. Im beschaulichen englischen Sandcliff lebt der amerikanische College-Professor gemeinsam mit der Kunsthistorikern Annie ein inzwischen wohl doch etwas zu beschauliches Leben. Die Beziehung kriselt, und Annie ist genervt davon, daß Duncan vornehmlich nur eine Leidenschaft pflegt. Und die heißt eben Tucker Crowe. Als Annie eines Tages in Duncans Post eine mysteriöse Demo-CD mit bisher unveröffentlichten Songs des Meisters findet (Titel: „Juliet, Naked“), holt sie zum Gegenschlag aus. Auf Duncans Fan-Webseite postet sie unter Pseudonym einen knalligen Verriß – und bekommt prompt und wider Erwarten eine zustimmende Antwortmail. Von keinem Geringeren als Tucker Crowe.

Was natürlich der Moment ist, in dem JULIET, NAKED seine Fahrt aufnimmt. Eine, die souverän durch recht britische RomCom-Gewässer kreuzt, auch wenn der Liebesreigen ein transatlantischer ist. Erwähnt sei, daß das für eine gewisse Anfangszeit auch bedeutet, Annie und Tucker dabei zusehen zu müssen, wie sie sich Mails hin- und herschicken. Was unter filmischen Aspekten nie sonderlich sexy ist. Aber das geht vorbei, und wenn JULIET, NAKED aus diesem erzählerischen Trockendock raus ist, sich Tucker samt selbstredend hinreißendem Sohn nach England aufmacht, bekommt der Film alles, was er braucht. Herzschmerzkonflikte mit Witz, Melancholie und grundsympathischen Typen. Das mag mit all den Nebenrollen und -strängen (Tuckers Kinder, Annies lesbische Schwester, Duncans heimliche Geliebte) mitunter so wirken, als wolle man wirklich alles irgendwie abdecken, was das Rührungspotential der romantischen Komödie hergibt. Zugleich aber geschieht das auf so eine leichte, unaufdringliche Art, daß man sich JULIET, NAKED so wenig entziehen kann wie einem guten Popsong.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.