Sechs Filmemacher erkunden sechs Bauwerke: Wim Wenders die Berliner Philharmonie. Michael Glawogger die Russische Nationalbibliothek in St. Petersburg. Michael Madsen das norwegische Halden-Hochsicherheitsgefängnis. Robert Redford das Salk Institut in Kalifornien. Margaret Olin das Osloer Opernhaus. Und Karim Ainouz das Centre Pompidou in Paris. Was 156 Minuten Film ergibt, die auch noch mit KATHEDRALEN DER KULTUR betitelt sind. Und mal ehrlich jetzt, auch auf die Gefahr hin, als Banause, als von Seichtigkeit zerfressener Zeitgenosse zu erscheinen: Wer an Schlafstörungen krankt, der gehe in diese Kathedralen, und das Wunder wird geschehen, der Schlaf wird sich des Schlaflosen bemächtigen. Wobei: Für zwei Beiträge in diesem Patchwork des Kulturbürgerphlegmas lohnt es, wach zu bleiben. Bei Glawoggers Bibliotheksbesuch. Und Madsens Knast-Exkursion.
Nicht, daß Glawogger groß etwas anders macht, als die Anderen: Auch hier schwebt und linst die Kamera durch allerlei Raumfluchten. Alles schön langsam, damit das 3D sich entfalten kann. Und auch hier gibt es eine Off-Stimme, die jeweils – oh, welch origineller Einfall! – die des porträtierten Gebäudes sein soll.
Welches Salbadern nun auch Stein und Beton so von sich geben können, zeigt dabei schon die erste Exkursion in die Berliner Philharmonie. Die hat die Stimme Meret Beckers und klingt dabei inhaltlich verdächtig nach den sanftelnden Betulichkeiten, die Wim Wenders schon immer für Empathie hielt. Aber lassen wir das. Wir waren ja bei Glawogger und der Nationalbibliothek. Deren Stimme, und das ist der entscheidende Unterschied, spricht dann ausschließlich Literatur. Die, die in diesen Räumen versammelt ist: Gogol, Puschkin, Belyj, Brodsky … Und damit dann durch die Bücherregale zu schweben, ist in der Tat erhebend.
Was wiederum Madsens Knastporträt überhaupt nicht ist. Nicht sein will und kann. Sein Beitrag über das Halden-Gefängnis ist von faszinierender Ambivalenz: schöne Architektur in schöner Landschaft. Bauliche Perfektion für menschliche Unzulänglichkeiten. Und Abgründe. Wie die harsch kontrastierend aufbrechen inmitten einer durchstrukturierten Ordnung, zeigt sich etwa beim (stillen!) Blick in eine Isolierzelle, deren Wände ein Insasse mit Kot beschmiert hat. Madsens Beitrag ist das Porträt einer Anti-Kathedrale – und gerade deswegen der einzige, der nicht auf tönernen Säulen steht.
Originaltitel: CATHEDRALS OF CULTURE
D/USA/F/Norwegen 2014, 156 min
FSK 6
Verleih: NFP
Genre: Dokumentation
Regie: Wim Wenders, Michael Glawogger, Michael Madsen, Robert Redford, Margreth Olin, Karim Ainouz
Kinostart: 12.06.14
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.