Vorsicht ist ja schon immer dann geboten, wenn auf einem Film die neumodische und eigentlich so gar nichts sagende Culture-Clash-Etikette draufpappt. Dann ahnt man bereits, daß es mal wieder um festgezurrten Zeitgeist geht, daß der Kritiker sich zu schreiben genötigt fühlen soll, hier würde ganz spielerisch mit Klischees aus verschiedenen Kulturkreisen umgegangen, die zu Beginn des Films gar nicht und am Ende im Strudel eines verkitschten Harmoniebedürfnisses dann doch zusammenpassen, und so weiter ... Diese Vorsicht ist um so mehr immer dann berechtigt, wenn man von Beginn an spürt, hier will einer alles: Kiezkomödie, Liebesdrama, Generationskonflikt, Erwachsenwerden ... Was vergessen, Anno Saul?
Saul setzt den kleinen, ganz sympathischen Türken Ibo ins Hamburger Schanzenviertel, der eigentlich nichts tut und plötzlich - mit der Ambition angetreten, den ersten deutschen Kung Fu-Film zu machen - einen Kurzfilm für die Dönerbude seines geldgierigen Onkels gedreht hat. Wie es das Kino gerne spinnt, wird der Streifen ein Hit. Die Menschen lösen gequält die Karte für den Hauptfilm eigentlich nur, um endlich und immer wieder den blutigen Kracher von Ibo zu sehen und anschließend ganz geschwind auf direktem Wege und zur Zufriedenheit des eurogeilen Onkels dessen dunstige Kebabstube aufzusuchen.
So unbeholfen wird in etwa jeder Witz vorbereitet, auch zum Leidwesen der an sich ganz guten Schauspieler. Da gibt es zum Beispiel Nora Tschirner als Ibos Freundin Titzi, die schwanger ist, auf die Familie von Ibo und ihn selbst nicht zählen kann. Während Ibo der Star im Kiez wird, die Mädels ihn ankreischen, schenkt Titzi unter Preßwehen und zu enervierendem Delphingesang neues Leben. Eine schöne Sentenz, die zum holprigen Rest nicht passen will. Denn Anno Saul läßt leider mehr Leidenschaft in die Clips seines Helden fließen, als in den eigentlichen Film. Ihm gelingt es nur leidlich, der Figur Ibo so etwas wie Sympathie an die schmale Brust zu knöpfen.
Was soll man auch von einem halten, der die Kochkünste seiner Freundin unbeholfen mit "Deine Suppe fickt mir den Gaumen" lobt und der schon mal im Anflug eines Hochgefühls meint: "Mir strahlt das Glück aus dem Arsch". Glück ist auch Anno Saul zu wünschen, mit dem nächsten Film.
D 2004, 96 min
Verleih: Timebandits
Genre: Komödie
Darsteller: Denis Moschitto, Nora Tschirner, Sibel Kekilli
Regie: Anno Saul
Kinostart: 21.04.05
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.