Originaltitel: KEDI
Türkei/USA 2016, 79 min
FSK 0
Verleih: Weltkino
Genre: Dokumentation
Regie: Ceyda Torun
Kinostart: 10.08.17
Gravitätisch, schön und mysteriös aussehen, während man den eigenen Körper leckt. Lob für nominelle „Unabhängigkeit“, tatsächlich offen zur Schau gestellte Sturheit, abgreifen. Sich mit leidendem Blick auf die Seite werfen, um Zuneigungswellen und Streicheltrost zu erhaschen. Wo die meisten Menschen da im Selbstversuch kläglich scheitern, nehmen fast alle Katzen solche Hürden ohne erkennbare Mühe.
Allein schon Grund genug, dem miauenden Multitalent Katze, der humanen Begleiterin (oder Beherrscherin?) seit Jahrtausenden, ein Porträt zu gönnen, gemalt von den samtigen Pfoten einiger Prachtexemplare, welche sämtlich in Istanbul leben. Sieben unter unzähligen die dortigen Straßen bevölkernden Streunern, stolze Freigeister, zwar einzelnen erwählten Händlern oder Gastronomen freundlich zugeneigt, aber niemandem gehörend. Und sehr speziell: Duman beispielsweise ist zumindest nach außen ein Gentleman-Kater, der sein Gourmet-Fressen mittels Kratzen an der Scheibe fordert, den zugehörigen Kochtempel indes nie betritt. „Kleiner Löwe“ geht rund ums Fischlokal auf Rattenjagd, allerdings bitte nur nachts, am Tag steht ungestörte Ruhe auf dem Plan, vielen Dank. Und der Psychopathin bereitet es riesigen Spaß, neben ihrem devoten Gatten unvorsichtige Pitbulls oder ganz einfach die gesamte aufgescheuchte Umgebung zu terrorisieren.
Protagonistische Vielfalt, die sich erfreulicherweise deutlich über Guck-mal-wie-süß-YouTube-Videos stellt, unterfüttert durch ein leichthändiges, flirrendes Stadtporträt. Istanbul in geruhsamer Hektik, als architektonisches Schmuckstück, landschaftlich berückendes Fleckchen Erde, lässig am königsblauen Meer in der Sonne bratend. Ein echter Sehnsuchtsort, dessen Einwohner wissen: „Wer Tiere nicht liebt, kann auch keine Menschen lieben.“
Darum ein wahres Paradies eben gerade für Katzen, wir begeben uns oft in ihre POV-Position, stromern umher, beobachten hungrige Möwen, erleiden gemeinsam Eifersuchtsattacken, wenn sich eine kecke Nebenbuhlerin an den Auserwählten ranschmeißt. Hilflose Babies werden gerettet, selbst die räudigste Mieze hingebungsvoll gestreichelt, ein nach Hundebiß im pelzigen Hintern zurückgebliebenes Loch thematisiert, Urbanisierung kritisch gestreift. Kitschig nimmer, knuffig immer. Und letztlich zwar keine dokumentarische Großtat, aus der Entscheidendes zu lernen wäre, jedoch ein rundum sympathisches Stück Wohlfühlkino.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...