KEHRAUS, WIEDER ist der Abschluß einer Trilogie, die 1990, kurz vor den ersten freien Wahlen ihren Anfang nahm. Der Filmemacher Gerd Kroske stieß damals zufällig auf ein paar Straßenkehrer in der Leipziger Innenstadt, die er eine Nacht lang bei der Arbeit begleitete. Sie alle sind Drop-Outs, Menschen, die aus dem Raster fallen. Alle vier haben eine Biographie voller Gewalt, Alkohol und zersplitterter Familiengeschichten.
Sie passen nicht ins Bild. Menschen wie sie hat es offiziell in der DDR nicht gegeben. Der sterbende Staat weiß nichts anderes mit ihnen anzufangen, als sie zum Straßenkehren zu verdonnern, und so putzen sie Nacht für Nacht das auf, was von den Demonstrationen und Wahlkundgebungen übrig bleibt und treffen sich am frühen Morgen (zum Feierabend) bei Bier und Schnaps in der Kneipe im Hauptbahnhof.
Mit dem behutsam beobachtenden Film KEHRAUS gelang Gerd Kroske 1990 eine sensible Parabel über Hoffnung und Agonie, die ohne viele Worte auskam. Man hätte es dabei bewenden lassen können, doch Kroske ließ das Schicksal seiner Protagonisten nicht mehr los. Also kam er wieder: erst 1996 (KEHREIN, KEHRAUS) und dann noch einmal zehn Jahre später. Aus dem Zufallsprojekt wurde eine Langzeitbeobachtung, nicht zuletzt deshalb, weil sich Kroske " ...mit jedem neuen Film einen guten Ausgang wünschte." Er läßt offen, ob er dieses Ziel erreicht hat. In KEHRAUS, WIEDER, dem vorerst letzten Film der Reihe, sind zwei der vier Hauptpersonen bereits tot, und die beiden, die übrig geblieben sind, scheinen die Kurve ins kleinstbürgerliche Hartz-IV-Dasein tatsächlich gekriegt zu haben. Glücklicher sind sie deshalb noch lange nicht. Arbeitslosigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit haben sie krank und grau gemacht.
Kroske öffnet eine Tür in eine Welt, von der wir alle wissen, daß sie existiert, die aber trotzdem kaum jemand wahrnehmen will, der (noch) nicht in ihr gefangen ist. Eine Welt, in der die Zeit dahin schleicht und der Gang zum Sozialamt der Höhepunkt des Tages ist. Gerd Kroske gelingt das Kunststück, diese Türen ohne jeden Voyeurismus zu öffnen. Es ist an uns, tatsächlich einen Blick zu riskieren.
D 2006, 99 min
Verleih: GMfilms
Genre: Dokumentation, Schicksal
Regie: Gerd Kroske
Kinostart: 17.04.08
[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.