Welcher geniale Schachzug des PLAYER-Chefredakteurs, mit dem Rezensieren eines ausgewiesenen Frauenfilms über Frauen, der noch dazu am Frauentag zu einem Previeweinsatz kommt, keine Frau zu beauftragen. Kein Schelm zudem, wer Schönes dabei denkt. Denn mit 66 Frauen, da fängt das Beben an …
Zunächst einmal gilt es zu gratulieren! Zu besagtem Frauentag, zum Umstand, daß dieser Dokumentarfilm ohne öffentliche Förderung entstanden ist und mit 69 Minuten eine mutige, weil in keine Schublade recht passende Lauflänge, dafür aber einen wundervollen Titel hat. KEIN ZICKENFOX stellt allein damit den Gegenwind schon mal auf Rücken.
69 Minuten für 66 Frauen eines Blasorchesters aus Berlin-Kreuzberg. Der einzige Mann, der es länger als zehn Sekunden auf die Leinwand schafft, ist der sturzbesoffene Landrat einer weiter westlich gelegenen Gegend. Chapeau! Das ist konsequent! Sie sind Anfang 20 oder Mitte 70, Pfarrerin in Rente, Polizistin im Dienst, Betreuerin von Strafgefangenen, Singles, Mütter. Waltraud spielt Waldhorn, andere heißen Bettina, Carola und Astrid, Solveig oder Margrit. Frauke baut ein Haus, und Steph mag ihre Furche auf dem Feld. Sie spielen seit über zehn Jahren zusammen. „Als hätte ich einen elektrischen Schlag bekommen“, beschreibt eine der Freizeit-Musikantinnen ihre Gefühle, als sie das erste Mal vom Orchester hörte.
Über behutsame Beobachtungen und kleine Einzelporträts entsteht in KEIN ZICKENFOX so etwas wie das multispektrale Bild einer Gemeinsamkeit, die auf Stunden begrenzt und von einer Idee getragen ist. Hier geht es nicht so sehr ums Gegen (Männer), sondern ums Für (Spaß). Daß nach Schafstall und Dorffest am Ende gar ein Auftritt in der Philharmonie der Hauptstadt steht, eine Nummer also, die größer kaum werden kann, zeigt eine entscheidende Phase der Ernsthaftigkeit dieses Projekts. Ob es nun das deutschland- oder gar weltweit einzige Frauenblasorchester ist, wird sekundär.
„Nicht schüchtern!“, tönt es an einer Stelle, und es meint die Marschrichtung. Auch die Tatsache, daß selbst in einem Blasorchester das Schlagzeug seinen besonderen Reiz hat, bekommt einen herrlich launigen Kommentar: „Du kannst Luft holen, wann du willst, kannst essen und Lippenstift tragen.“
Daß KEIN ZICKENFOX bislang vor allem „queere“ Publikumspreise gewonnen hat, mag vielleicht verwundern, wirklich wichtig aber ist auch das keinesfalls.
D 2014, 67 min
FSK 0
Verleih: daredo media
Genre: Dokumentation, Musik
Regie: Kerstin Polte
Kinostart: 17.03.16
[ Andreas Körner ]