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Kifferwahn

-sinniges und schrilles Musical

REEFER MADNESS, so der Originaltitel, war in jüngster Vergangenheit zunächst als Off-Broadway-Musical erfolgreich und basiert auf einem Propagandafilm von 1936. Damals galt es, amerikanische Teenager vor der Droge Marihuana zu bewahren sowie die Wirtschaft - dies freilich wurde nicht öffentlich postuliert - vor der industriellen Nutzung der Hanfpflanze. Wie auch immer, aus dem Machwerk wurde in den 60ern und 70ern ein Kultklassiker, und Andy Fickman inszenierte diesen für die Bühne neu und reicht auch gleich die Verfilmung nach.

Die Handlung ist in den 30ern angesiedelt. Ein Regierungsbeauftragter reist durch die Staaten, um Eltern vor der Droge zu warnen, die nicht nur ihre Kinder, sondern ganz Amerika bedroht. Anschaulich macht er dies seinem entsetzten Publikum mit einem Film, in dem Highschool-Teenie Jimmy Harper in die Fänge eines Marihuana-Dealers und seiner Kumpane gerät. Ein Zug am Joint genügt, um aus dem braven Jungen ein Monster zu machen. Von seiner Freundin Mary Lane wendet er sich ab, frönt anderswo dem zügellosen Sex, huldigt der Anarchie und giert nach dem nächsten Zug. Es kommt zu den widerwärtigsten Ausschweifungen und furchtbare Dinge geschehen ...

Man muß Musicals lieben und den Zynismus, dann wird man seine wahre Freude haben, denn mit KIFFERWAHN tobt sich der Regisseur wahrlich aus. Die Inszenierung ist skurril und bunt, geizt nicht mit Sarkasmus und wartet mit einer breiten Palette eingängiger Songs nach berühmten Vorbildern auf. Stilisierung und Klischees übernehmen die Hauptrollen, wo der eben noch Shakespeare paukende Jimmy zum triebgesteuerten und sabbernden Vollidioten mutiert, und Mary Lane, gerade noch die züchtige Unschuld in persona, im Rausch der Droge ihre Qualitäten als Domina entdeckt.

Aufwendig gestaltet sind Dekoration und Kostüme (schier unendlich die Variationen des Cannabis-Blattes), schrill sind die Musicalsequenzen, in denen die Darsteller allesamt Gesangskünste beweisen, und perfekt choreographiert sind die Tanznummern. Der Plot springt hin und her zwischen der Rahmenhandlung, in der die fassungslosen Kleinbürger dem beängstigenden Vortrag lauschen, und der Geschichte, die sich vor ihren Augen auf der Leinwand abspielt. Die Steigerung beider Erzählstränge schließlich gipfelt in einem fulminanten Finale, in dem blutgierige Hirnkranke über ihre Erzeuger herfallen. In der Auflehnung gegen Autoritäten wird in KIFFERWAHN nichts ausgelassen, sie ähnelt geradezu einem Rundumschlag in Sachen Sozialkritik.

Originaltitel: REEFER MADNESS

USA 2005, 108 min
Verleih: VCL

Genre: Musikfilm, Schräg

Darsteller: Kristen Bell, Christian Campbell, Neve Campbell

Regie: Andy Fickman

Kinostart: 11.05.06

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.