Umstrittener kann Kino kaum sein: KINSKI PAGANINI, das späte, in Deutschland bisher unveröffentlichte Regiedebüt Klaus Kinskis - für die einen ist es "ein Bannstrahl von einem Film" (Christian Kessler, Splatting Image, 1992), für die anderen belächelter Fehltritt - "das Paradebeispiel eines mißglückten Films" (Werner Herzog, 1999). Satte dreißig Jahre spielte sich Kinski durch die bisweilen haarsträubendsten Plots der Kino- und TV-Geschichte - am Ende seiner Karriere schließlich eröffnete sich für ihn die langersehnte Möglichkeit eines filmischen Resümees. Vier Millionen Dollar Etat und jede erdenkliche Freiheit - KINSKI PAGANINI ist der künstlerische Ernstfall, ein Kurzschluss zwischen exzentrischem Selbstdarsteller und kompromisslosem Visionär, der späte Triumph Klaus Kinskis über seinen lebenslangen Antipoden Regisseur. Das Thema des Films - ein kreativer Wahn, den Kinski Mitte der 80er bereits zwanzig Jahre um den Globus geschleppt hatte: In Wien entdeckte er ein Bild des legendären Violinenvirtuosen Paganini und identifiziert sich mit ihm nach kürzester Zeit. Ein wüstes Wechselspiel zwischen Historie und Selbstdarstellung soll KINSKI PAGANINI werden, eine filmische Orgie irgendwo zwischen Genialität und ungewollter Komik. Es scheint, als ob Kinski dabei bedingungslos alles falsch macht. Nicht einen Maskenbildner holt er sich ans Set, keinen Scheinwerfer, keinen Beleuchter. Zehn Jahre vor Dogma entsteht ein Film durchgängig mit Naturlicht: Innenräume werden, wie zu Lebzeiten Paganinis, ausschließlich von Kerzen erhellt - das Bild krisselt, wie man es in einer kommerziellen Produktion niemandem zumuten würde. Bei den Tonaufnahmen mit dem Virtuosen Accardo achtet Kinski pedantisch darauf, daß die sonst als störend betrachteten Nebengeräusche ebenfalls aufgenommen werden. Die Szenen werden im Ganzen durchgespielt und mit zum Teil zwei Kameras gleichzeitig gefilmt. Der finale Wahnsinn sitzt am Schnittplatz: Kinski übernimmt auch die Montage des Films selbst und zerreißt Raum, Zeit und die ohnehin fragmentarische Handlung respektlos zu einem wilden Rausch der Diskontinuität. KINSKI PAGANINI macht Angst: Cannes lehnte den Film 1989 als pornographisch ab, die etablierten Verleihe machten 10 Jahre einen Bogen um den Film, außer in Japan und Italien kam er bisher nirgendwo ins Kino.
I 1987/88, 81 min
Verleih: Carsten Frank
Genre: Trash, Musik
Darsteller: Klaus Kinski, Debora Kinski, Nicolai Kinski
Regie: Klaus Kinski
Kinostart: 07.10.99
[ Carsten Möller ]