Originaltitel: AN
J/F/D 2015, 113 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen
Genre: Drama, Poesie
Darsteller: Kirin Kiki, Masatoshi Nagase
Stab:
Regie: Naomi Kawase
Drehbuch: Naomi Kawase
Kinostart: 31.12.15
Irgendwo in Tokio gammelt ein kleiner Imbißstand vor sich hin, dort verkauft Koch Sentaro lustlos zusammengebackene Dorayaki. Dabei handelt es sich um japanische Pfannkuchen, deren Füllung aus süßer Bohnenpaste, genannt An, besteht. Selbige holt Sentaro im Großhandel, entsprechend fad mundet das Ergebnis, bloß Schülerin Wakana, schüchtern und sanft, hält ihm die Stammkundentreue.
Eines Tages schneit die alte Tokue herbei und bietet an, als Aushilfe zu arbeiten, akzeptiert keine Absage, will den mies bezahlten Job offenbar unter allen Umständen. Sentaro gibt nach, weil Tokues An einfach sensationell schmeckt. Und langsam nähern sich die aus unterschiedlichen Gründen vereinsamten drei Menschen an, ganz zart.
Eine unspektakuläre Geschichte, in geradezu schwebender Ruhe erzählt. Jedenfalls vorerst: Da schauen wir der Zubereitung des An zu, lassen uns von blühenden Kirschbäumen berauschen, einfach an die geistige Hand nehmen und führen, entlang eines poetischen Weges ohne spürbare Kurven. Es geht um den sprechenden Wind, unsichtbare Gefährten, allerorten laden Metaphern zum Entdecken ein, und wir entschleunigen bestenfalls unser Sehverhalten, werden Teil des Ganzen. Aber schließlich folgt ein Veränderungen bringender Schlenker, plötzlich nimmt die Handlung geradezu grausame emotionale Züge an, indem sie ein Geheimnis und dessen furchtbare Konsequenzen lüftet. Jene betreffen Tokue, die betagte Dame hat ihr bisheriges Leben fremdbestimmt verbringen müssen. Woran sich weiterhin nichts ändern soll. Der Schwenk zum verstörenden Drama gelingt, finstere Bitterkeit bricht die Stille.
Massive Geduld muß man allerdings aufbringen, wenn sich manchmal doch ein redundantes Drehbuch (welches dann gern komplette Sätze wiederholt) und ungelenke Synchronisation vermischen. Letztere klingt nicht nur oft steif abgelesen, sondern schafft es darüber hinaus kaum, den schönen, für europäische Ohren ungewohnten Singsang der japanischen Sprache bloß annähernd zu transportieren. Viele „Aah!“ und „Ooh?!“, unterstützt von einigen „Häh?“ oder offensivem Gekicher statt leisem Lachen, sind nun mal kein passender Übertrag, sondern auf lange Sicht fast enervierend. Weil dies leider einigen Zauber raubt, gilt hier in aller Deutlichkeit, was grundsätzlich immer empfohlen sein darf: Wählen Sie, falls möglich, unbedingt das Original!
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...