Den Onkel Wilhelm mochte der kleine Klaus immer gern. Lustig war der Onkel, und zu Familienfeiern machte der, was er früher, als er jung war, auch beruflich gemacht hat. Musik nämlich, Liedchen trällern, Schlager, wie man sie auch in den 30ern und 40ern schon kannte und liebte. Und alle stimmten gern mit ein, wenn der Onkel Wilhelm etwa zum Akkordeon griff und seinen lyrischen Tenor klingen ließ. Ja, das war schon eine Stimmungskanone, der Wilhelm. Der wußte das Leben zu nehmen.
Doch als der kleine ein großer Klaus wurde, genauer gesagt seinen 40. Geburtstag feierte, bekam dieses Erinnerungsbild Risse, zerfetzte Dissonanzen die Wohltöne von damals. Denn Klaus erfährt zufällig, daß der Wilhelm, der Lebensfrohe, der Liedersänger und gemütliche Zigarrenraucher, einst acht lange Jahre im KZ verbracht hatte. Weil er eben nicht nur ein Musiker, sondern auch ein „Entarteter“ war. Ein Schwuler, die, „so war das damals eben“, weggesperrt wurden. Gefahr für den gesunden Volkskörper und so weiter. Man kennt das dumme Gewäsch ja.
Klaus Stanjek ist Professor für Dokumentarfilmregie an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf.“ Und er ist der Neffe dieses Wilhelms, der das „schwarze Schaf“ der Familie war und in deren Geschichte der gespenstische weiße Fleck ist. Den will Stanjek nicht länger akzeptieren, und so macht er das, was seine Profession ist: einen Dokumentarfilm. Einen über den geliebten Onkel, über Familiengeheimnisse, und wie diese sich konservieren inmitten dieser KLÄNGE DES VERSCHWEIGENS.
Daß Verdrängung seelische Taubheiten hervorruft, ist bekannt. Mit welch’ geduldigem Insistieren Stanjek nun dem Erinnern Gehör verschaffen will, macht seinen Film zu einer Erkundung in Moll, zu einem leisen, späten Abschiedslied auf den Onkel. In langen Gesprächen mit alten Familienangehörigen, inklusive der schwerhörigen (!) Mutter, Wilhelms Halbschwester, mit Exkursionen in Archive und in die Konzentrationslager Dachau und Mauthausen, wo der Onkel inhaftiert war, montiert Stanjek seine Spuren- und Erinnerungssuche zu einem persönlichen und privaten Dokument, das freilich über die Grenzen des Privaten weit hinausweist.
Und wenn in dessen letztem Viertel gar ein aufkommendes Gerücht, ein böser Verdacht bezüglich Wilhelms einzieht, bekommt diese Doku sogar fast etwas detektivisch Spannendes.
D 2012, 90 min
FSK 12
Verleih: Cinetarium
Genre: Dokumentation, Biographie
Regie: Klaus Stanjek
Kinostart: 24.01.13
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.