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Klassenfahrt

Eindringliches Pubertäts-Drama

Der Berliner Filmemacher Henner Winckler schickt in seinem Kino-Debüt eine Gruppe Berliner Schüler auf KLASSENFAHRT. In ein polnisches Seebad, geprägt von einer ehemals modernen Hotelarchitektur und versunken in nachsaisonaler Tristesse, geht die Reise. Die Schüler, zum Großteil sich selbst überlassen, schlagen die Zeit tot mit Tennisspiel, Zigaretten und Alkoholexzessen. Die Ereignislosigkeit der vergehenden Tage wird kaschiert mit coolen Sprüchen und Effekthaschereien. Einzig Ronny will sich der Gruppendynamik nicht anpassen. Ronny ist anders, ein Einzelgänger. Rastlos und suchend scheint er einerseits. Andererseits ist er uninteressiert und gibt sich teilnahmslos. Einzig Isa, eine Mitschülerin, weckt sein Interesse, und zwischen beiden bahnt sich zaghaft eine Beziehung an. Als sie den Polen Marek kennenlernen, entspinnt sich zwischen den Jungen ein Kampf um Isa. Das anfänglich fast stille Kräftemessen, bei dem Ronny wieder und wieder den Kürzeren zieht, gipfelt schließlich in einer gefährlichen Mutprobe ...

Ruhig und eindringlich erzählt Winckler vom Erwachsenwerden, dem damit verbundenen Leid und von erster Liebe. Sein kategorischer Verzicht auf die allzu gebräuchlichen Teenie-Klischees verweist auf das Anliegen, Jugendliche als Jugendliche zu sehen und auch so zu zeigen. Gedreht wurde an Originalschauplätzen und ausschließlich mit Laiendarstellern. Winckler arbeitet nur wenig mit Symbolen, seine Bildsprache ist spröde und sehr präzise. Die Inszenierung beinhaltet neben dem Beharren auf das Narrative auch dokumentarische Elemente, was der Geschichte viel Unmittelbares verleiht. Auf diese Weise findet Winckler trotz des tragischen Ansatzes auch zu fast heiteren Bildern.

Eine Szene, in der Isa zwischen den beiden wetteifernden Jungen im Schwimmbad sitzt, nicht gesprochen, aber um so mehr erzählt wird, ist da sehr einprägsam. Deutlich ist auch, wie der Regisseur auf die Erinnerungen seiner Zuschauer setzt. Zwangsläufig wird man an diese einerseits kollektive und andererseits sehr einsame Phase der Pubertät erinnert.

D 2002, 87 min
Verleih: Peripher

Genre: Erwachsenwerden, Teenie, Drama

Darsteller: Sophie Kempe, Steven Sperling, Bartek Blaszcyk

Regie: Henner Winckler

Kinostart: 14.11.02

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.