Werner Herzog sagte mal, daß es in der Zusammenarbeit mit dem charismatischen Schauspieler eigentlich immer zwei Probleme gab: das Budget und Kinski.
Fünf Filme haben Kinski und Herzog miteinander gedreht. Fünf Filme, in deren Entstehung der Wahnsinn zu Hause schien. Das lag natürlich vor allem an Kinskis überbordendem Temperament, welches sich allerdings zwangsläufig an dem sehr eigenen Regiestil Herzogs reiben mußte. Diese Reibereien entluden sich, wie es die in der nun vorliegenden, filmhistorisch auf jeden Fall hochinteressanten DVD-Box beinhaltete Doku von Herzog MEIN LIEBSTER FEIND behauptet, mitunter gar in Morddrohungen.
Wenn man sich nun die Werke nochmals ansieht, von AGUIRRE, DER ZORN GOTTES und WOYZECK, über NOSFERATU und FITZCARRALDO bis schließlich zur letzten Zusammenarbeit COBRA VERDE, dann wird vor allem eines sehr deutlich: diese Filme würden ohne Kinski gar nicht funktionieren. Seine unberechenbaren Ausbrüche, seine spielerischen Eruptionen, sein mitunter auch zurückgenommenes, dabei allerdings noch bedrohlicheres Spiel, können einen eklatanten Makel in Herzogs Arbeiten zwar nicht komplett vergessen lassen, aber zur Erträglichkeit kaschieren: den Dilettantismus.
Herzog ist einfach kein ganz großer Erzähler, er vermag in keinem seiner Filme den Figuren den nötigen Raum, manchmal auch die ganze Bühne zu lassen. Das hat nix von Regiestrenge, die ja nötig ist, eher was Egozentrisches. Zu oft kommt Herzog indirekt selbst zu Wort. Da belehrt er den Zuschauer etwa in COBRA VERDE und AGUIRRE über - dramaturgisch tödlich - ausgewalzte sozio-geographische Hintergründe der jeweiligen Länder und ihrer Ureinwohner, klebt unermüdlich an Arbeitsprozessen wie dem Zuckerrohranbau oder der Kautschukgewinnung in FITZCARRALDO. Zu oft kommen spannungsraubende Monologe aus dem Off, und zu schwärmerisch verweilt die Kamera mehr in der Natur als im eigentlichen Geschehen.
In den Frühwerken WOYZECK (leider recht eindimensional abgefilmtes Theater) und NOSFERATU, einer etwas hölzernen, in Landschaften schwelgenden Murnau-Hommage, fallen die flache TV-Ästhetik und ein recht grobgeschliffener Erzählduktus auf. In AGUIRRE, ein rohes Anden-Drama über einen fanatischen Führer, dem die irrsinnige Idee der Gründung einer weltumfassenden Dynastie durchs Hirn strauchelt, versucht eine psychedelische Dauermusik den Film auf Spannung zu bringen - bis auf wenige Momente vergeblich. In seinem reifsten und vielleicht bisher einzigen wahrhaft großen Film FITZCARRALDO gelingen Herzog echte Kinobilder und die plausible Schilderung eines an sich tragischen Helden. Kinski spielt die Titelfigur, einen erfolglosen Unternehmer, der es sich zum Ziel gemacht hat, im südamerikanischen Urwald eine Oper aufzuführen. Dabei helfen ihm die Indianer, der Schnaps, eine Schellack-Platte mit Caruso und sein unbändiger Wille, der gar ein Schiff über Berge schleppen kann. Hier stimmt einfach alles: Tiefe in der Geschichte, das beeindruckende Szenario am Amazonas, die noch immer schöne Claudia Cardinale in einer späten Rolle und ein alle Fähigkeiten auslotender Kinski.
Was sich leider in keinem der Herzog-Filme zeigt, ist ein Hauch von Humor. Beinahe verbissen kämpft er sich durch seine Geschichten, und in der zwar sehr unterhaltsamen, aber irgendwie auch penetranten Doku MEIN LIEBSTER FEIND entpuppt sich Herzog als echter Narziß: er dramatisiert alle Anekdoten, verheimlicht dabei hartnäckig die Pointen, weil er zu sehr damit beschäftigt ist, seine Person so heldenhaft wie nur möglich in der Erinnerung auszuschmücken.
In NOSFERATU allerdings entpuppt sich der Schreiber Herzog als schräg-romantisch: wenn Klaus Kinski als Dracula das Blut vom Finger Bruno Ganz abschleckt, beruhigt er den verunsicherten jungen Mann: "Ich will doch nur Ihr Bestes!".
Verleih: Kinowelt HE
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.