D 2019, 85 min
FSK 12
Verleih: Little Dream
Genre: Dokumentation, Polit
Regie: Mohammad Farokhmanesh, Frank Geiger
Kinostart: 09.05.19
Als 2018 eine Broschüre zum Umgang mit Rassismus und Menschenfeindlichkeit in Kitas veröffentlicht wurde, wollten viele nicht glauben, daß rechtes Gedankengut in Kinderköpfen wirklich ein Thema wäre. Doch Pädagogen, die täglich erleben, wie Eltern ihre Kinder prägen, wußten es besser, und jeder kann sich ausrechnen, daß inzwischen in fast jeder Kita-Gruppe und Schulklasse Kinder von Eltern sitzen, die rechte Parteien wählen.
Dieser Film versucht zu zeigen, was es für Kinder bedeutet, wenn sie unter dem Einfluß menschenverachtender Ideologien erzogen werden. Es ist nicht einfach, dieses Thema auf die Leinwand zu bringen – vor allem dann nicht, wenn man niemanden im RTL II-Super-Nanny-Stil (Stichwort „Lügenpresse“) vorführen will. Daher haben sich die Regisseure für einen Mix aus dokumentarischen Interviews mit Betroffenen und Experten, einer animierten Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht, und beobachtenden Aufnahmen von – gecasteten – Kindern entschieden. Auch wenn es vielleicht besser gewesen wäre, auf diese stark emotionalisierenden Aufnahmen unbeteiligter Kinder zu verzichten, geht das Konzept ansonsten durchaus auf.
Den roten Faden bietet die wahre Geschichte von Elsa, die in einem nationalsozialistisch geprägten Umfeld groß wird, die sich – wie ihr späterer Mann – selbst als rechte Aktivistin versteht und auch die eigene Tochter in diesem Sinne erzieht. Erst als ihr zweites Kind mit einer Behinderung auf die Welt kommt und in ihrem Umfeld abgelehnt wird, kommen ihr Zweifel, und sie wagt nach Jahren des Zauderns die Flucht aus der Gemeinschaft. Da sie nach ihrem Ausstieg mit neuer Identität lebt, konnte ihre Geschichte nur als Animation im Film vorkommen. Flankiert durch die Erklärungen von Extremismus-Experten wird hier auf nachvollziehbare Art deutlich, wie eine stark manipulative Erziehung dennoch als behütete Kindheit erfahren werden und doch gleichzeitig die Seele eines Kindes nachhaltig schädigen kann.
Diese Ambivalenz wird noch verstärkt durch die Auftritte neurechter Ikonen, die zunächst sympathisch und vernünftig wirken. Wenn ihre abstrakten Aussagen über Erziehung durch die Erinnerungen persönlich Betroffener konkretisiert werden, gelingt es dem Film eindrücklich, spürbar zu machen, daß hier Gewalt und nicht Liebe angewandt und gepredigt wird. KLEINE GERMANEN ist ein notwendiger und unbequemer Film, dessen Thema uns noch lange beschäftigen wird.
[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.