Es gibt Filme, die nach Verlassen des Kinos bereits vergessen sind. Bei anderen bleiben genervte Blicke auf die Uhr nicht aus. Und manchmal sieht man ein Wunderwerk, welches noch Stunden länger dauern könnte. KLEINE TRICKS zählt zur letzten Kategorie. Dabei ist grundsätzlich gar nicht viel dran an dieser polnischen Produktion, es geht eigentlich „bloß“ um einen Jungen, der seinen früh geflüchteten Vater zu sehen glaubt – beim täglichen Umsteigen am Bahnhof, den er fortan regelmäßig besucht. Das Kind will mit dem vermeintlichen Erzeuger Kontakt aufnehmen. Doch wie soll unser kleiner Held Stefek das nur anstellen? Der Titel gibt einen Hinweis ...
Den Stein bringt Stefeks ältere Schwester Elka ins Rollen, als die Geschwister eines Tages am Supermarkt zwei Obstverkäufer stehen sehen. Die Ware des einen wird nachgefragt, der andere geht leer aus. Mit Hilfe eines so simplen wie hinreißenden Kniffs beschert Elka dem unglückseligen Händler spontane Rekordumsätze. Stefek beobachtet, lernt und begreift: Man kann und muß das Schicksal manipulieren! Also nichts wie ran an den Herrn Papa – es gilt, dessen Aufmerksamkeit zu erregen, ihn der Mutter über den Weg laufen zu lassen und vielleicht sogar eine Familienzusammenkunft zu erreichen.
Stefek trickst dabei derart warmherzig, witzig und kreativ, daß man aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen möchte, zumal auch sein Umfeld eine präzise Zeichnung erfährt: die gestreßte Mama, Elka mit dem Traum vom besseren Job, eine latent schlampenhafte Nachbarin ... Alle Figuren sind lebendig skizziert, hier agieren echte Menschen, keine Abziehbilder aus dem Kinobaukasten. Und so wird sogar eine schäbige Kleinstadt, deren Bewohner nicht viel vom Leben erwarten dürfen, wunderschön, tanzt Licht durch sonnige Bilder und begreift man, welche Wahrheit hinter der Erkenntnis steckt, sein Glück nicht erzwingen, aber immerhin herausfordern zu können.
Das Abgleiten in eine gar zu leichte, vielleicht sozialkitschige Sommerkomödie verhindern jedoch stets wichtige Details, denen unbedingt Aufmerksamkeit zu schenken sein darf, wie zum Beispiel Stefeks ernster Blick, in dem sich trotz allem die Reife eines zwangsweise zu früh erwachsen gewordenen Kindes spiegelt. Auch diese Ausgewogenheit zeigt die Meisterschaft eines Films, auf dessen erneut dem Realismus verhaftetes Ende man tatsächlich mit Wehmut reagiert.
Originaltitel: SZTUCZKI
Polen 2007, 96 min
FSK 0
Verleih: Kool
Genre: Komödie, Drama, Poesie
Darsteller: Damian Ul, Ewelina Walendziak, Rafal Guzniczak, Tomasz Sapryk, Iwona Fornalczyk
Stab:
Regie: Andrzej Jakimowski
Drehbuch: Andrzej Jakimowski
Kinostart: 23.07.09
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...