Originaltitel: LES PETITS MOUCHOIRS
F 2010, 154 min
FSK 6
Verleih: Tobis
Genre: Drama
Darsteller: Benoît Magimel, Jean Dujardin, Marion Cotillard, François Cluzet
Regie: Guillaume Canet
Freunde treffen sich alljährlich am sonnenverwöhnten Cap Ferret, um sich zu erholen, zu genießen, zu reden. Max lädt seine Freunde in sein Haus am Meer, er also bestimmt die Regeln. Daß so etwas kaum gutgehen kann, weiß man. Daß Guillaume Canet aus dieser guten, fürs französische Kino geradezu prädestinierten Vorlage einen nicht so guten, sich irgendwie amerikanisch anfühlenden Film dreht, überrascht dann doch. Aufhänger zur großen Selbstreflexion ist der Unfall eines Freundes, dessen Abwesenheit in den weinseligen Momenten immer wieder bedauert wird. Amerikanisch übrigens auch deshalb, weil sich Canet über den Duktus seiner Tragikomödie so unsicher scheint, er will es vielen recht machen und vergißt darüber den mündigen Zuschauer. So bekommt dieser keinen Zutritt aufs Ferienhausterrain und bleibt Film über Zaungast, der Schauspielern beim Freundespielen zusieht.
Zudem geschieht vieles, wie es zu erwarten ist, und damit ist Canet in der Tat dem modernen, oft überraschungsfreien Unterhaltungskino aus den USA sehr nahe: Jeder der Freunde ist mal dran mit einer Neckerei, jeder bekommt seine fünf Minuten, um von persönlichen Problemen zu parlieren. Davon weiß der Zuschauer allerdings immer zu früh, weil das Personal pünktlich Schnute zieht. Die Erklärung folgt auf dem Fuße. Das ist enttäuschend, weil man dem Film schon anmerkt, wohin Canet eigentlich wollte: das große private Aufräumen, das Entrümpeln, das Hinterfragen der eigenen Bürgerlichkeit hinter der Bröckelwand tapfer aufrecht erhaltener Loyalität. Doch man wird nicht mitgenommen, man ermüdet rasch an den Luxusproblemchen der Vortragenden, die immer vergnügt Yacht fahren, wenn das Leben leicht scheint, und auf den Tisch hauen, wenn die Wut sie übermannt. Da winkt man rasch ab, wenn der nächste Wein entkorkt wird, die Austern geschlürft und ein neuer Titel in der abgehangen wirkenden Musikauswahl dazu eingespielt werden. Wenn es flotte Momente gibt, und davon hat der Film in der Tat einige, greift Canet zu „Hang On Sloopy“ (darauf muß man als Untervierzigjähriger auch erst einmal kommen), wenn das Herz zum Klopfen gebracht werden soll, muß wieder einmal Antony & The Johnsons’ „Fistful Of Love“ herhalten. So viel banales Kalkül hat Hegarty nicht verdient, Canets Grundidee auch nicht, und die Zaungäste gleich gar nicht.
Es gibt einen tollen Moment, der vor allem durch den einzig wirklich glaubhaft spielenden Schauspieler getragen wird: Benoit Magimel als Familienvater Vincent gesteht dem älteren Freund Max seine Liebe, in dem er von dessen schönen Händen schwärmt. Da hat zum einen Magimel bestens gespielt, das hat Guillaume Canet aber auch lebensecht geschrieben. Von solchen Momenten hätte es einfach mehr bedurft, dann hätten Gefühl und Witz gegriffen, dann wären die Botschaften nicht so übergroß. Der Schauspieler Canet hat durchaus auch als Regisseur und Autor Talent, das ist schon spürbar, das läßt sich aber von Wucht und Eitelkeit erdrücken.
Regelrechten Verrat an den Figuren begeht Canet im doch schon ärgerlich auf Tränen kalkulierten Schluß. Und da wird augenscheinlich, was Sautet in VINCENT, FRANÇOIS, PAUL UND DIE ANDEREN oder auch Branagh in PETER’S FRIENDS gelang und Canet eben nicht. Hier versuchte sich einer am großen Gesellschaftstableau und landete bei der Seifenoper.
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.