Manchmal lohnt es, sich etwas kürzer zu fassen. Entsprechend verfolgt das vorliegende Werk nicht die ganze Lebensgeschichte des Malers Gustav Klimt, sondern nur seine letzten 18 Jahre. Oder, treffender formuliert: Es streift lose Stationen, Situationen, Förderer und Gegner. "Ich mache keine Biographien!": Protagonist John Malkovich hat vor Drehbeginn seine Zusage an eine klare Bedingung geknüpft, welcher offensichtlich entsprochen wurde.
Tatsächlich ist es dann auch eine wahre Wonne, dem Mann endlich mal wieder in einer Hauptrolle zu begegnen, diesen anziehenden Habitus aus gelangweiltem Spott und aristokratischer Arroganz zu erleben, zumal Malkovichs Ausstrahlung mit fortschreitendem Alter stetig wächst. Zumindest für den unkundigen Zuschauer hält sich die sonstige Freude am Film aber in engen Grenzen, da man faktisch eben nichts über Klimt erfährt. So verliert sich das ohne entsprechende biographische Vorbildung ausgestattete Publikum in einem Vexierspiel aus Lügen, Erotik, Voyeurismus und Tod, bei dem das Doppelgänger-Motiv nur einen kleinen Teil des großen Mysteriums darstellt, die Grenzen zwischen Phantasie und Phantasmagorie trügerisch fließender Natur sind.
Formal kennt das insgesamt recht artifizielle Werk ebenfalls keine klare Linie: Während anfangs die Kamera kaum einmal zur Ruhe kommt, sondern vielmehr selbst Dialoge unstet kreisend einfängt, regiert später theatralische Statik. Da mag man sich schon beherzt fragen, was uns der (Regie-)Meister damit sagen möchte. Und anstatt beispielsweise herauszustellen, worin nun eigentlich Emilie Flöges besondere Anziehungskraft lag, welche sie zur einzigen langjährigen Frau an Klimts Seite erhob, darf Veronica Ferres in dieser Nebenrolle bloß dauernd süffisant "Gustl" hauchen. Dafür sagen Dialogzeilen wie "Keine Angst, die Echte ist noch viel falscher als die Falsche!" alles – oder eben gar nichts.
Letztlich dient ein visuell zweifellos betörendes Art-Nouveau-Kinogemälde inklusive extrem viel freier Interpretationsfläche als Forum für das Wiedersehen mit einem der immer noch begnadetsten Darsteller unserer Zeit. Ob man sich darüber ganz ehrlich freuen kann, sei allerdings dahingestellt.
Originaltitel: KLIMT
Österreich/F/D/GB 2006, 97 min
Verleih: Arsenal
Genre: Biographie, Drama
Darsteller: John Malkovich, Veronica Ferres, Saffron Burrows, Stephen Dillane
Stab:
Regie: Raoúl Ruiz
Drehbuch: Raoúl Ruiz
Kinostart: 01.06.06
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...