Sascha geht in die fünfte Klasse, liest schlecht und rastet gelegentlich ziemlich aus, wenn ihm etwas gegen den Strich geht. Das irritiert seine Umwelt, doch so recht weiß keiner damit umzugehen. Sein Vater ist verschwunden, und seine Mutter hat mit ihrem Liebhaber, der Arbeit und den beiden älteren Geschwistern weiß Gott schon genug zu tun. Immerhin merkt sie, daß etwas schiefläuft und schaltet den Arzt und das Jugendamt ein.
Kindern, die aufgrund ihres auffälligen Verhaltens aus dem System fallen, hat man früher schlechte Erziehung bescheinigt, heute erhalten sie oft die Diagnose ADHS. Die Symptome dieses Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndroms sind für Außenstehende oft undurchschaubar. Sascha jedenfalls klaut gerne und zerstört schon mal einen Zigarettenautomaten. Selbst seine beste Freundin Elli kann ihn nicht von seinen Diebstählen abhalten, dabei ist sie die einzig wirkliche Vertrauensperson in seinem Leben. Nur ist sie wie Sascha noch ein Kind.
KOPFÜBER zeichnet in ruhigen Bildern die kleine Welt einer Familie, die sich selbst nicht erhalten kann, und erzählt die Geschichte eines vereinsamten Kindes. Die Mutter, mit der Situation überfordert, schafft es nicht, sich emotional auf Sascha einzulassen. Die Schwester ist einfach nur da, und selbst vom großen Bruder muß sich Sascha Dinge, die er zum täglichen Leben braucht, erkaufen. Klar, daß es sein Betreuer Frank schwer hat, an den Jungen ranzukommen. Mit der Zeit entwickelt sich zwischen den beiden trotzdem eine Beziehung. Doch als Sascha beginnt, Tabletten einzunehmen, scheinen die groben Probleme gelöst, und Frank ist entlassen. Mit dem Ritalin verbessern sich Saschas Noten, er rastet nicht mehr aus, geht aber auch nicht mehr mit Elli auf die gemeinsamen Streifzüge in das verwunschene Hinterland der Plattenbausiedlung. Plötzlich verbringt er mit seiner Schwester die Zeit vorm Fernseher. Erst als Frank verschwindet, und Elli sich abwendet, bemerkt Sascha den Ernst der Lage.
Was wird aus einem Kind, das in der Welt verloren ist? Was bleibt von einer Persönlichkeit, die mit Tabletten betäubt wird? Diese Fragen stellt dieser Film und rüttelt damit an den Grundfesten eines Krankheitsbildes, das seit langem durch hiesige Klassenzimmer und Kinderstuben geistert. KOPFÜBER öffnet den Blick für die Fragilität der kindlichen Seele und das, was mit ihr passieren kann, wenn sie sich selbst überlassen wird.
D 2012, 90 min
FSK 6
Verleih: alpha medienkontor
Genre: Drama
Darsteller: Marcel Hoffmann, Frieda-Anna Lehmann, Inka Friedrich
Regie: Bernd Sahling
Kinostart: 07.11.13
[ Claudia Euen ]