Was haben wir gelacht, damals hinterm Mond! Als wir aus einem Summen noch auf Bienenschwärme schlossen und nicht auf Unmanned Aircraft Systems, die uns unter dem Euphemismus „Drohne“ ans Herz gewachsen sind. Was haben wir sie geliebt, diese Idee vom punktgenauen Töten, bei dem Maschinen durch die Beine von Zivilisten hindurch – im Fußball heißt das „tunneln“ – diesen einen asymmetrischen Krieger eliminieren! Als wir noch dachten, daß Algorithmen Kraft ihrer binären Suppe immer den Richtigen erwischen, irgendwo zwischen Null und Eins, zwischen Gaza-Streifen – und dem Garten von Dietrich Oepke.
Herr Oepke, der 1982 in der DDR den Höhenrekord für Modellflugkörper aufstellte, ist der erste von vielen Gesprächspartnern der Dokumentarfilmerin Karin Jurschick. „Das macht die Elektronik“, sagt er, läßt seine Drohne ein Foto von der Regisseurin schießen (ohne Tötungsabsicht) und verabschiedet sich ins Off. Freilich will er weiter mitgedacht werden – als von ziviler Technologie-Begeisterung viragierte Folie, vor der Jurschicks Reise durch die Leistungszentren der unbemannten Kriegsführung erst ihre Brisanz gewinnt. Sie führt zu den „Israel Aerospace Industries“, wo sich drei ältere Herren zu ihrer einst als Spielzeug belächelten Flugkörper-Erfindung äußern.
Sie führt zum Spiele-Entwickler Dave Anthony, der ein bißchen erschrocken vor den in die Realität weitergesponnenen Konsequenzen seiner Ego-Shooter-Welten steht. Sie macht Abstecher in amerikanische Labore, wo man einen „ethischen Regulator“ programmiert, der den Tötungsautomaten Moral beibringen soll, und zum Politikwissenschaftler Herfried Münkler samt seinem Begriff von der postheroischen Gesellschaft, die eine ambivalente Form der Feigheit kultiviert.
Dies ist nicht der erste Dokumentarfilm, der nach dem Verhängniszusammenhang von Krieg und Spiel, von Machbarkeit und Ethik fragt. Man denkt an Michael Moore oder Lutz Dammbeck – und sollte sie gleich wieder vergessen. Denn Jurschick arbeitet weder mit höhnischen Pointen noch mit freidrehenden Assoziationsbomben, sondern mit einer Sorgfalt, die eher journalistisch genannt werden muß. Und doch findet sie Wege, das Unbehagen am Homunkulus, an einer ans Virtuelle delegierten Verantwortung für reale Leben auch auf der Bildebene zu transportieren. Dort nisten sich Diagramme ein, Daten, Koordinaten, Zoom- und Track-Felder.
D 2016, 90 min
FSK 12
Verleih: Real Fiction
Genre: Dokumentation
Stab:
Regie: Karin Jurschick
Drehbuch: Karin Jurschick
Kinostart: 08.09.16
[ Sylvia Görke ]