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Kroko

Eine Hinterhof-Diva unter "Spastis"

Bronzefarbener Teint, wasserstoffblonde Mähne, gekleidet in Babyblau und Schweinchenrosa, jeder Blick eine Herausforderung. Jule ist so etwas wie die inoffizielle böse Königin der Teenies von Berlin-Wedding. Ein Wort kann sie reizen. Bei jeder Geste gehen Freund Eddie, der übrige Hofstaat und selbst ihre Mutter sicherheitshalber in Deckung. Kroko will sie genannt werden, sagt, was geklaut wird und wer ein paar aufs Maul kriegt. Solch ein Fressen von einer Göre ins Zentrum eines Films zu stellen, zeugt von Mut, denn diesem Mädchen wird kein Herz einfach so zufliegen. Und Vorsicht! Vielleicht schmeißt sie zurück?

Eine Autofahrt ohne Führerschein und mit Unfall bringt Kroko sechzig Sozialstunden in einer Behinderten-WG ein. Natürlich hat sie mit den "Spastis" nichts am Hut, will einfach nur die Zeit absitzen. Sollen die Bekloppten doch mit ihrer Plüsch-Jacke schmusen! Sollen sie doch wissen, was sie hier wirklich will: "Nüscht." Daß Krokos unverhohlenes Desinteresse nach und nach in Anteilnahme umschlägt, daß ihr vor allem der launische Spastiker Thomas irgendwann nicht mehr nur egal ist, müssen die lästernden Kumpels vom Wedding nicht wissen.

Sylke Enders taucht mit ihrem wunderbar unprätentiösen Kinodebüt in ein Milieu ein, dessen sich meist nur Vormittags-Talkshows im Fernsehen annehmen: Halbstarke aus der Platte, genervt von hilflosen Eltern, gelangweilt, kaum Träume, die nicht in einem Kaufhaus zu erfüllen wären. Diese Lebenswelt stilisiert Enders nicht zum tiefgrauen Bronx-Soziotop. Sie erlaubt sich mehr Farbigkeit, mehr Differenziertheit und veranstaltet mit Kroko und den Behinderten ein erstaunlich fesselndes Integrationsprojekt, das ohne überzogene Dramatik auskommt und gerade darin spektakulär ist.

Handkamera, körnige Bilder, der genaue Blick für die ruppige Komik und die Gereiztheiten im Miteinander von Außenseitern - konsequent, dicht an der Realität und absolut glaubwürdig. Getragen wird Enders’ Film jedoch vor allem von einer weiteren Debütantin: Hauptdarstellerin Franziska Jünger, wie die meisten ihrer Mitstreiter absoluter Laie, macht die bissige Titelheldin in jeder Szene zum echten Teenager-Kotzbrocken - Augen verdrehend, abweisend und letztlich unergründlich.

D 2002, 92 min
Verleih: Ventura

Genre: Teenie, Komödie

Darsteller: Franziska Jünger, Harald Schrott, Alexander Lange, Hinnerk Schönemann, Anja Beatrice Kaul

Stab:
Regie: Sylke Enders
Drehbuch: Sylke Enders

Kinostart: 04.03.04

[ Sylvia Görke ]