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Kumbh Mela – Shortcut To Nirvana

Kurzschluß statt Erleuchtung

Alle zwölf Jahre treffen sich unzählige Pilger zum KUMBH MELA in einem trockenen Flußbett-Stück des Ganges, kurz bevor dieser mit den anderen Strömen Yamuna und Saraswati zusammentrifft. Dieses größte Fest hinduistischen Glaubens zieht seit mehr als 2000 Jahren Menschen aus aller Welt nach Indien und ist eines von vielen Melas, also ähnlichen, historisch gewachsenen Festivals. Schon Mark Twain war Zeuge dieser Feierlichkeiten. Die Faszination der spirituellen Eigenheiten Indiens auf die westliche Welt ist ungebrochen, an der letzten Zusammenkunft nahmen geschätzte 70 Millionen Gläubige teil.

Die Amerikaner Maurizio Benazzo und Nick Day begleiteten das Festival, suchten in der fast schon stadtteilartig aufgebauten Zeltlandschaft Derwische, Pilger, Sadhus, Gurus und ihre Anhänger auf, beobachteten ungewöhnliche Glaubensmanifestationen und die rituelle Waschung Tausender im Ganges. In ihrem ungestümen Wunsch, dem Zuschauer die spirituelle Welt des Hinduismus näherzubringen, erweisen sie jedoch dem Objekt ihrer Ehrerbietung einen grandiosen Bärendienst. So wahr der Kern der Aussage auch sein mag, nach der dritten Wiederholung durch den nächsten heiligen Mann oder Guru oder Priester erhält das klischierte Mantra vom Loslassen aller weltlichen Güter und der Hinwendung zur Liebe eine enervierende Qualität. Zudem erinnert strukturell so gar nichts an einen Dokumentarfilm. Verschiedene Sprecher liefern unmotiviert eingestreute Kommentare, Interviews werden lose und ohne tiefere Wirkung eingeflochten, und an Swami Krishnanand, den "unwiderstehlich charismatischen Hindu-Mönch", gewöhnt sich der Zuschauer nur deshalb, weil dieser sich in aller Ausführlichkeit zu Gott, der Welt und anderen kosmischen Details äußern darf.

Da sich die Macher fasziniert an Zahlen, Rekorden und Superlativen (Wahnsinn, ein Fünftel der Menschheit lebt in Indien!) aufreiben, versäumen sie, ihr eigentliches Anliegen greifbar zu machen. Entsprechend ist ihre Schilderung des Festivals durchsetzt von einem belehrenden Gestus und einer schockierenden Kultur-Naivität. Die Filmemacher geben sich selbst und eine ganze Religion der Lächerlichkeit preis, und das kann nicht ihre Absicht gewesen sein. Schwachen Trost bringt nur der Auftritt des tatsächlich charismatischen Dalai Lama.

Originaltitel: SHORT CUT TO NIRVANA: KUMBH MELA

USA 2004, 87 min

Genre: Dokumentation

Regie: Maurizio Benazzo, Nick Day

Kinostart: 08.06.06

[ Roman Klink ]