Es liegt ein Licht auf den Bildern dieses Anfangs, das betörender leuchtet, als es in Wirklichkeit je möglich wäre. Und die Musik, die dazu erklingt, ist passenderweise eine, die sich von der Welt abgewandt, ach was, verabschiedet hat, hin in die Innerlichkeit eines Lamentos, das zugleich von einer Erinnerung spricht. Wo das Herz ist, da ist Liebe, wo Liebe ist, da ist Schmerz. Und alles will Ewigkeit inmitten der Vergänglichkeit, und den japanischen Touristen, der in diesen Eröffnungsszenen das macht, was japanische Touristen immer machen, fotografieren natürlich, wird dann auch gleich die Vergänglichkeit ereilen. Und das just beim Versuch, etwas von Rom, der bekanntlich „ewigen Stadt“, festzuhalten mit seiner Nikon.
„Wer die Schönheit angeschaut mit Augen, ist dem Tode schon anheimgegeben.“ Dichtete einst August von Platen (1796–1835). Und was das auch heißt, zeigt jetzt Regisseur Paolo Sorrentino in seinem sterbensschönen Film LA GRANDE BELLEZZA. Ein Film, der das Kunststück vollbringt, todtraurig von der Lust am Leben zu erzählen und einen dabei immer wieder wunderbar zum Lachen bringt. Ein Film, der zeigt, was sein Titel verspricht. Einem Augen, Ohren und Herz mit Schönheit überschwemmt – und einen darin dennoch nicht absaufen läßt. Denn dieser Film ist noch etwas anderes: scharfsinnig und von jenem Sarkasmus, den es braucht, um eben an all der Schönheit nicht blöde zu werden.
Durch Rom wandelt er, dieser Jep Gambardella. Einst schrieb er einen Roman, von dessen Ruhm er bis heute entspannt zehrt. Literatur hat Jep nie wieder verfaßt, aber er ist gefürchtet und beliebt für seine spitzzüngigen Interviews, die er mit angesagten Künstlern führt, deren häufige Hohlheit und Selbstüberschätzung Jep dabei wie nebenher entlarvt. Ja, er ist nicht nur ein eleganter Mann, dieser Jep, nicht nur der hedonistische Flaneur, sondern auch der Typus eines In-tellektuellen, der heute mehr denn je eine Rarität ist. Seinen 65. Geburtstag hat Jep eben in einer rauschenden Party hinter sich gebracht. Nichts Besonderes, nur ein weiteres Fest, zwischen Tratsch und Konversation, gutem Essen, Drinks und Sex. Kurz: la dolce vita. Und Jep ist gemacht dafür. Bis er vom qualvollen Krankheitssterben seiner Jugendliebe hört und begreift, daß trotz aller Erfülltheit seines Lebens ihm wirkliche Erfüllung versagt blieb.
Sorrentino erzählt von diesem Begreifen und von der Sehnsucht nach einer Substanz unter der Oberfläche der Existenz, die ohne diese Substanz nur Oberflächlichkeit ist. Und natürlich weht in diesem Film ein Hauch von Fellinis DAS SÜSSE LEBEN oder auch, schwächer, Greenaways DER BAUCH DES ARCHITEKTEN. Doch ändert das nichts an dem Umstand, daß der Film von einer Autonomie ist, die sich auch als Eigenwilligkeit zeigt: in der Verweigerung einer klassischen Erzählstruktur, im formalen Höchstniveau, seiner Zeitgeist-Ignoranz. Selten sah man Kinoszenen, in denen etwas so Gegensätzliches wie die Erkundung des Metaphysischen und deren Betrachtung in rational-ironischer Distanz derart selbstverständlich ineinanderfließen wie hier.
Und wie das dann alles doch ganz nah bei diesem Jep bleibt, diesem Menschen, der die Schönheit sieht, aber die Liebe nicht erkannte – das ist ganz große Kinokunst.
Originaltitel: LA GRANDE BELLEZZA
I/F 2013, 147 min
FSK 12
Verleih: DCM
Genre: Drama, Poesie
Darsteller: Toni Servillo, Carlo Verdone, Sabrina Ferilli
Regie: Paolo Sorrentino
Kinostart: 25.07.13
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.