Originaltitel: LA MALA EDUCACIÓN

Spanien 2004, 106 min
Verleih: Tobis

Genre: Drama, Liebe, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Gael Garcia Bernal, Fele Martínez, Javier Cámara

Regie: Pedro Almodóvar

Kinostart: 30.09.04

Noch keine Bewertung

La Mala Educación – Schlechte Erziehung

Almodóvars geniales und komplexes Geschichtenmosaik über den blutigen Abgrund der Liebe

Viele Filme schließen mit dem Endtitel oder eben gleich der Nennung des Regisseurs. Der neue Almodóvar endet mit dem erschlagend großen Wort PASIÓN - etwas unscharf flimmernd, aber unmißverständlich. Der leidenschaftliche Troubador des modernen Kinos Almodóvar ist vom schwulen Bürgerschreck zum großen, publikumswirksamen Zeremonienmeister geworden - gottlob, ohne sein Herz für das Schrill-Schräge zu verleugnen. Bei ihm ist das Melodramatische einfach Chefsache. Und so wird auch in seinem neuen, ja, vielleicht bisher am komplexesten erzählten - und hier paßt das Wort noch trefflich - Meisterwerk mit Emotionen geklotzt, hier werden aufs Geradewohl und dennoch klug durchdacht dem Leben die steilsten Kurven angedichtet, daß man offenen Mundes staunt: woher nimmt der Pedro diese Phantasie? Almodóvar wird immer besser, und der Mann ist noch nicht alt! Er schöpft scheinbar immer ein wenig aus der eigenen Biographie, aber stets in kluger Einsicht, der eher blassen Erinnerung die Farben zu geben, die das Kino braucht. Die Musik gleich dazu. Und die Gesichter. So war er bestens beraten, Gael Garcia Bernal - der vielleicht schon hier und keineswegs in der laschen, spätherbstlichen Che-Anbetung MOTORCYCLE DIARIES seine Lebensrolle spielen darf - gleich ein ganzes Kabinett von Figuren und Charakteren an die mexikanische Brust zu legen. Denn Bernal sieht nicht nur blendend aus, sondern verfügt auch über unverschämtes Talent.

Doch halt: Worum geht es denn eigentlich in diesem neuen Almodóvar? Erzählt wird vom Aufeinandertreffen der einstigen Schulfreunde Enrique und Ignacio, die vor über sechzehn Jahren ihre Kindheit in einem katholischen Internat verbracht haben. Dabei waren die beiden Jungen mehr als "nur" Freunde. Auch kam es zu sexuellen Übergriffen durch den leitenden Pater Manolo. Seit dieser Zeit haben sich die zwei nicht wieder gesehen, und Ignacio schrieb eine Geschichte, wie sie sich nach der Kindheit zum Teil wirklich zugetragen hat, manches erfand er einfach frei hinzu. Und dieses Buch hält er in der Hand, als er auf Enrique stößt. Der soll es lesen, verfilmen, denn schließlich ist er Regisseur.

Bei der Lektüre des Buches mit dem Titel "Der Besuch" tritt Enrique eine Reise an in die Vergangenheit, zurück an den Ursprung seiner Liebe zum Kino, später in das Leben der Transsexuellen Zahara, bis hin zu Drogen, Verrat und schließlich Mord. Die sogartige Geschichte fordert auch von ihm viel ab. Er beginnt zu recherchieren, stößt auf Ungereimtes: Und eigentlich sah der Typ mit dem Buch unterm Arm auch nicht aus wie Ignacio ...

Schon wenn sich der Vorhang auftut, die Musik Alberto Iglesias’ erklingt, die kunstvoll gestalteten Titel ablaufen, dann gibt es für den geneigten Zuschauer kein Entfliehen, man ist sofort mittendrin im Almodóvarschen Kosmos. Almodóvar hat sich wieder auf das komplizierte Schlachtfeld der Leidenschaft, hinunter in den blutigen Abgrund der Liebe und den damit verbundenen Willen zu verletzen und verletzt zu werden gewagt und mit Bravour bestanden.

Es ist ihm gelungen, im Prinzip drei Erzählebenen zu einer Eloge an das Verrückte, an das Nichtbegreifbare und trotz aller Überhöhung doch so reale Chaos, das sich Leben nennt, zu verflechten, daß man entrückt, verstört und vielleicht auch traurig das Kino verläßt - niemals jedoch enttäuscht.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.