Wenn sich ein Lied selbst unter den vielen unsterblichen Klassikern dieser Welt durch Rekorde, was seine Interpretationen, Versionen und Aufführungen betrifft, dermaßen hervortut, wie es beim Evergreen "La Paloma" der Fall ist, dann lohnt es sich schon einmal, dem Geheimnis seines Erfolgs auf den Grund zu gehen.
Und so hat sich die Filmemacherin Sigrid Faltin auf Spurensuche begeben, zunächst zu seinen Ursprüngen. Doch sie verweilt nicht lang in Havanna, Kuba, wo der sehnsüchtig stimmende Ohrwurm Mitte des 19. Jahrhunderts von Sebastián Iradier komponiert wurde, sondern reist weiter: in Länder, in deren Kultur "La Paloma" eine besondere Stellung erreicht hat. Faszinierend dabei ist vor allem, als wie wandlungsfähig sich das Lied entpuppt, welches in Deutschland vor allem als "Inbegriff des Nordens" bekannt ist, wo Hans Albers und Freddy Quinn es zu ihrem Hit machten.
In Mexiko beschreibt die charismatische Sängerin Eugenia Léon, wie für sie "La Paloma" mit seinem die Sehnsucht der Menschen heraufbeschwörenden Charakter zum ultimativen Protestlied wurde. In Tansania ist "La Paloma" ein beliebtes Hochzeitslied, während es in Rumänien als Trauerlied bei Beerdigungen gespielt wird. Wohin auch immer Sigrid Faltin "La Paloma" verfolgt, eine faszinierende Geschichte ist meist damit verknüpft. Am erschütterndsten ist sicherlich die Beziehung, welche die jüdisch-deutsche Swing-Legende Coco Schumann zu dem Song hat. Er mußte es, zusammen mit anderen Ohrwürmern der Zeit, zur Unterhaltung der Nazis im KZ in Auschwitz spielen, um nicht selbst ermordet zu werden.
Faltin ist mit ihrer Dokumentation eine aufschlußreiche und amüsante musikalische Weltreise geglückt, die nicht nur unterhaltsame Einblicke in die Annalen der Populärmusik verschafft, sondern ein umtriebiges Kulturgut beleuchtet, dessen verbindende Kraft ein schönes Beispiel für funktionierende Globalisierung darstellt. Und wer Angst hat, daß er das Ding nach den -zig Versionen des Liedes im Film nicht mehr losbekommt aus seinen Lauschern, dem sei gesagt, daß dies eine weitere Besonderheit des Welthits ist: er klebt kürzer und weit weniger lästig im Gehörgang als viele andere Lieder der Spezies Ohrwurm.
D/F 2007, 93 min
Verleih: Real Fiction
Genre: Dokumentation, Musik
Regie: Sigrid Faltin
Kinostart: 21.08.08
[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...