Die mitteldeutsche Landschaft wird seit Jahrzehnten durch den Braunkohletagebau geprägt. Mehrere Dutzend Ortschaften sind allein um Leipzig schon verschwunden. Manche gehen von vehementem Protest und viel öffentlicher Aufmerksamkeit begleitet unter, wie es bei Heuersdorf der Fall war. Doch die meisten Dörfer verschwinden still und leise von der Landkarte. Ihre Bewohner werden ausgezahlt und umgesiedelt. „Was willste machen?“, sagt Bauer Silvio achselzuckend und beackert doch hartnäckig weiter seine Scholle bis zum letzten Tag, bevor die Abrißbagger kommen. Silvio lebte in Grunau im Südwesten von Leipzig. Der Ort gehörte zur Gemeinde Großgrimma, die bereits 1998 umgesiedelt wurde. Die letzten Gebäude wurden jedoch erst 16 Jahre später abgerissen. Im Jahr 2003 stieß Regisseur Tom Lemke auf drei Eigenbrötler, die allen widrigen Umständen zum Trotz bis zum bitteren Ende in dem Geisterdorf ausharrten. Neben Silvio sind das der Schmied Dieter und Nachbar Norbert.
Land am Wasser – so nannten die ersten Siedler vor 900 Jahren den Ort. In wenigen Jahrzehnten dagegen wird es Land unter Wasser sein, wenn der Tagebau durch sein und das Restloch geflutet werden wird. Lemkes leiser, genau beobachtender Film begleitet die drei Männer über zehn Jahre lang. In langen, ruhigen Einstellungen zeigt er eine Lebensweise, die heute archaisch anmutet. In einer Gesellschaft, die ständige Flexibilität predigt, wirken die Drei mit ihrer Heimat- und Bodenverbundenheit wie aus der Zeit gefallen. Die Männer gehen sehr unmittelbaren Tätigkeiten nach: Silvio zum Beispiel versorgt seine Tiere und schlachtet sie eigenhändig, er repariert mühevoll seine alte Landmaschine, er pflügt und erntet. Dabei ist das Leben in dem verlassenen Ort mühsam. Nicht einmal mehr Wasser kommt aus dem Hahn. Silvio behilft sich mit dem nahegelegenen Bach. Pech nur, wenn im Winter der Schlauch einfriert.
Zwischen diese Beobachtungen des Alltagslebens werden wiederholt Luftaufnahmen des benachbarten Tagebaus geschnitten. Es ist eine so bizarre wie faszinierende Landschaft. Beim Betrachten dieser kontrastierenden Bilder kommt irgendwann der Gedanke auf: Vielleicht liegt der Sinn menschlichen Tuns gerade darin, sich gegen das Unvermeidliche zu stemmen. Selbst wenn man genau weiß, daß man die Bagger nicht wird aufhalten können.
D 2015, 85 min
Verleih: Sundayfilm
Genre: Dokumentation
Regie: Tom Lemke
Kinostart: 31.03.16
[ Dörthe Gromes ]