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Le silence de Lorna

Vom Preis des Schweigens

Die junge Albanerin Lorna träumt mit ihrem Freund Sokol vom Betreiben einer Snack-Bar in Lüttich. Um die belgische Staatsbürgerschaft zu bekommen, hat sie den Junkie Claudy geheiratet - ein zunächst praktisches Arrangement. Als schwierig aber erweist sich nicht nur die Enge der gemeinsamen Wohnung, sondern vor allem die Drogenabhängigkeit des Schein-Ehemannes und seine hilf- und ergebnislosen Versuche, clean zu werden. Als Lorna endlich den begehrten Paß erhält, taucht Fabio, der Mittelsmann ihrer Scheinehe auf. Er hat einen reichen Russen an der Hand, der viel dafür bezahlen will, eine Belgierin zu heiraten. Plötzlich ist Claudy im Weg, denn der Russe drängt und will eine Scheidung nicht abwarten. Eine fingierte Überdosis soll deshalb den Junkie aus dem Weg räumen.

Einmal mehr lassen die Dardenne-Brüder in die menschlichen Abgründe schauen und stellen die Frage danach, wie es um die Moral der Menschen gestellt ist. In L’ENFANT (2005) verkaufte ein jugendlicher Kleinkrimineller das Kind seiner Freundin, um seine Schulden zu begleichen. Nun ist es Lorna, die scheinbar mit schweigsamer und zugleich skrupelloser Effizienz auf die Erfüllung ihres Traumes zusteuert. Aber schon in der Exposition, die das Ende des Films vorweg nimmt, freilich ohne, daß es zu entschlüsseln wäre, ist die Brechung der Wahrnehmung angelegt. Auch in LE SILENCE DE LORNA halten die Regisseure an dem schon vertrauten Konzept fest, dramatische Höhepunkte nicht zu zeigen, sondern in der Reaktion ihrer Figuren zu spiegeln. Auch hier nimmt die Geschichte zudem mehr als eine unverhoffte Wendung - überraschend markiert hier ein besonders radikaler Schnitt sogar die Zweiteilung des Filmes.

Daß dieses Konzept aufgeht, ist nicht zuletzt der Konsequenz und Leidenschaft zu verdanken, mit der die Dardennes auch hier ihre Charaktere entwickelt haben. Neben Jérémie Renier (LA PROMESSE und L’ENFANT), der sehr überzeugend den Fixer gibt, ist vor allem das Spiel Arta Dobroshis bestechend. Kongenial verkörpert sie die Hauptrolle einer stillen Frau, die schließlich einen Traum aufgeben und sich aus der Enge ihres Daseins befreien muß.

Originaltitel: LE SILENCE DE LORNA

Belgien/F/D 2008, 105 min
Verleih: Piffl

Genre: Drama, Schicksal

Darsteller: Arta Dobroshi, Jérémie Renier, Fabrizio Rongione

Stab:
Regie: Jean-Pierre & Luc Dardenne
Drehbuch: Jean-Pierre & Luc Dardenne

Kinostart: 16.10.08

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.