Originaltitel: DOLOR Y GLORIA

Spanien 2019, 114 min
FSK 6
Verleih: StudioCanal

Genre: Drama

Darsteller: Antonio Banderas, Penélope Cruz

Regie: Pedro Almodóvar

Kinostart: 25.07.19

32 Bewertungen

Leid und Herrlichkeit

Von Lebensjustierung und der Schönheit in Kittelschürzen

Dieser Film ist eine Rückkehr. In vielerlei Hinsicht. Zuallererst manifestiert Pedro Almodóvar seinen Ruf als einer der größten Regisseure des Kinos, ein Fundament, das durch so gar nicht komische Komödien und ein, zwei nicht vollends überzeugende Filme kleinere Risse bekam. LEID UND HERRLICHKEIT kehrt außerdem zu einem Kino der wahrhaftigen Poesie zurück, eine Eigenschaft, die dem modernen Film abhanden gekommen scheint, dieses Tiefgründige und das Hingetupfte, diese Melancholie und das Lebensprofane, diese stummen Schreie und das schrillere Flüstern, all das glückt diesem nahegehenden Film auf ganz wunderbare Weise.

Und darüber hinaus findet Antonio Banderas zu echter Spielgröße zurück: Nichts gegen Zorro, 13. Krieger und unzählige Sprechrollen in amerikanischen Animationsfilmen, aber erst jetzt und in diesem Alter, mit all den schönen Lebensspuren im Gesicht und eben mit dieser so perfekt sitzenden Rolle, zeigt er endlich wieder, was für ein präziser Künstler er ist. Banderas gibt den schmerzgekrümmten, kreativ ausgelaugten und an sich und jedem Sinn zweifelnden Filmemacher Salvador Mallo, der nicht einmal die Kraft findet, der Wiederaufführung eines seiner Klassiker persönlich beizuwohnen. Doch gerade dieses Erinnern an sein frühes Schaffen wird zum Impuls, den Salvador womöglich gebraucht hat, um Schmerzvolles aufzuarbeiten, einst Geliebtes neu zu lieben und Zukünftiges überhaupt in Betracht zu ziehen.

Keine Frage, Almodóvar erzählt via Mallo von sich selbst, vom in bescheidenen Verhältnissen aufwachsenden Kind, dem ersten sexuellen Begehren, den Zwängen eines erzkatholischen Landes unter faschistischer Führung, vom einst jungen Wilden, dem Movida-Madrileña-Frontmann, vom Skandalfilmer also, der sich zu einem der besten Romanciers des zeitgenössischen Kinos mauserte.

Und wie er es tut, ist schlicht begeisternd – so schonungslos, offen und uneitel, über scheue, aber doch eindeutige Blicke aus Kinderaugen, über das Beobachten einfacher Menschen beim Verrichten einfacher Arbeit, und am anrührendsten sind vielleicht die Szenen aus Salvadors Kindheit, als seine Mutter mit schöner Stimme beim Trocknen der Wäsche im Schilf sang. LEID UND HERRLICHKEIT zeigt einen Mann, der eben zeitlebens daran leidet, nicht ganz der Sohn gewesen zu sein, den die sich aufopfernde Mutter doch verdient hätte.

Zeit, kurz über Penélope Cruz, die Salvadors Mutter spielt, zu schreiben: Es bleibt unvergeßlich, wie sie eine kleine, dabei markante Rolle so nachhaltig zu spielen weiß, ohne sich in den Vordergrund zu drängen, sie ist eben eine der wenigen Schauspielerinnen, die ihre Kunst vollends verstehen. Und auch von ihrer Schönheit, die auf der Leinwand ihresgleichen sucht, muß man schreiben: Selbst und gerade in Kittelschürzen weiß sie Würde und Grandezza auszustrahlen.

Almodóvars ergo Mallos Süchte werden ebenso thematisiert wie die latente Einsamkeit eines großen Künstlers, dessen Getriebenheit, dieses Geliebtwerdenwollen und trotzdem das Nichtertragen von Nähe. Wenn Mallo in einer Szene gefragt wird, wie er sich so fühle, dann ist die Antwort so banal wie zutiefst ehrlich: „Alt.“

Für Almodóvar-Fans ist dieser Film, dieses hinreißende Verweben aus Erlebtem und Fiktionalem, ohnehin eine Jagd nach Erinnerungsstücken, man erkennt Almodóvars große Schauspielerinnen wieder, man erspürt diese Energie, als nach Francos Sturz alles möglich schien und die Künstler und Paradiesvögel zu Recht empfanden, daß Madrid ihnen gehöre.

Es sind so Gedanken, die sich beim Betrachten dieses im Wortsinn schönen Films ihren spinnerten Weg bahnen. Ist dies ein Abschiedsfilm, könnte Almodóvar dem Kino, das nicht weniger als sein Lebenselixier ist, mit dieser eleganten Lebens- und Schaffensaufarbeitung, dieser vitalen Rückschau und Reflexion, tatsächlich den Rücken kehren? Es wäre bitter.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.