Ausgerechnet der israelische Verteidigungsminister wird Nachbar der palästinensischen Witwe Salma, und es nimmt kaum Wunder, daß hier in der West Bank, unmittelbar an der Grenze zu Israel, ein simpler Maschendrahtzaun das Sicherheitsbedürfnis der Prominenz auf der anderen Seite nur unzureichend befriedigt. Salmas Zitronenhain, der ihr ein spärliches Einkommen sichert und vom Vater ererbt auch der Ort ihrer eigenen Wurzeln ist, stellt, weil er die Sicht behindert, plötzlich ein Risiko dar. Um die Bäume vor der Abholzung zu retten, zieht Salma mit Unterstützung des jungen Anwalts Ziad in einen schier aussichtlosen Kampf bis vor den Obersten Gerichtshof Israels. Ihr Unterfangen bereitet aber nicht nur den Israelis Kopfzerbrechen, auch die Patriarchen des Dorfes, die Wächter der arabischen Tradition, begegnen ihr mit Mißtrauen. Sympathie dagegen wird ihr von ganz unerwarteter Seite entgegen gebracht, von Mira, der Gattin des Ministers.
Eran Riklis inszeniert ähnlich wie bei DIE SYRISCHE BRAUT in einer absurden Mischung, die Humor mit dem Drama verschränkt und von seiner ganz persönlichen Sicht auf die Umstände im Nahen Osten Ausdruck herrührt. Die vielen Themen aber, die Riklis umtreiben, stehen diesmal einer stringenten Erzählung im Wege. Unentschieden pendelt er zwischen vielen Geschichten und sitzt im Bemühen, hier und da besonders deutlich zu sein, nicht wenigen Klischees auf. Er erzählt von allem und von allen ein bißchen - vom Minister und seiner Frau, denen die Liebe längst abhanden gekommen ist, von dem jungen Anwalt, der ein Kind in Rußland hat, von einem wissensdurstigen Soldaten auf einem Wachturm, einem Agenten des Mossad, der das Denken lieber anderen überläßt, einem alten Zitronengärtner und natürlich von Salma, verkörpert von der großartigen Hiam Abbass, die ihren eigenen Weg gehen will und dem viel jüngerem Rechtsbeistand gefährlich nahe kommt.
Daß Riklis nicht wirklich zu einem Ganzen findet, und der Film voller logischer Brüche ist, davon kann die insgesamt starke Darstellerleistung nicht ablenken, ebenso wenig können dies die symbolträchtigen Bilder, die verwendeten Metaphern und ein bewußt harter Schnitt. LEMON TREE hat Unterhaltungspotential, ob nun als neuerliches Nahost-Versöhnungsplädoyer oder zum Beispiel als Geschichte von der Einsamkeit zweier Frauen. Aber er bleibt oberflächlich, und Neues erzählt er uns nicht.
Originaltitel: ETZ LIMON
Israel/D/F 2007, 100 min
Verleih: Arsenal
Genre: Drama
Darsteller: Hiam Abbass, Ali Suliman, Rona Lipaz-Michael
Regie: Eran Riklis
Kinostart: 02.10.08
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.