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Liam

Kindheit zwischen Armut und Fegefeuer

Wie kaum ein anderer verwandelt sich Stephen Frears seinen Filmstoffen chamäleonartig an, inszenierte GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mit blaublütiger Eleganz, den Neo-Western HI LO COUNTRY staubig wie trockene Viehweiden. Mit der ebenso warmherzig wie ironisch erzählten Geschichte der Kindheit eines Arbeiterjungen in den 30er Jahren stellt der britische Regisseur erneut sein Gespür für die besondere Atmosphäre hermetischer Film-Universen unter Beweis.

Das Viertel von Liverpool, in dem der kleine Liam aufwächst, ist voll von den Gerüchen des Hafens und der rußigen Schornsteine. Arbeitslosigkeit und Armut drücken auf die Seelen dieser einfachen Leute, die meist kaum etwas besitzen, außer Stolz und Gottesfurcht. Schließlich verliert auch Liams Vater seinen Job und damit die bis dahin unumstrittene Rolle des zuverlässigen Versorgers. Der Lohn des ältesten Sohnes muß die ganze Familie ernähren, die Tochter hilft in einem feinen jüdischen Haus beim Kochen und Putzen aus - tiefe Demütigungen, die in ihm Haß und Angst schüren, ihn schließlich in die Arme der Faschisten treiben.

Obwohl insgesamt sehr viel spröder in Szene gesetzt, als beispielsweise DIE ASCHE MEINER MUTTER, durchweht Frears’ Sozialdrama bisweilen eine Art Working-Class-Romantik, die auch dem bittersten Elend noch Malerisches abgewinnt und daher leichten Unmut hinterläßt. Wunderbar allerdings, wie den bis zum tragischen Ende geführten Ereignissen die Perspektive des siebenjährigen Liam gegenübergestellt ist. Der registriert zwar aufmerksam, was um ihn herum geschieht, hat aber in seiner Kinderwelt naturgemäß ganz andere Probleme als "nur" Armut zu bewältigen, nämlich vor allem die Angst vor dem durch die irisch-katholische Kirche in Aussicht gestellten Fegefeuer und der ersten Beichte.

Mit viel Phantasie und Humor tastet sich Frears durch Liams Gedanken, erfindet für den kleinen Stotterer eine kindlich-ernste und ganz eigene Bildersprache.

Originaltitel: LIAM

GB/D/F 2000, 90 min
Verleih: Alamode

Genre: Drama, Schicksal

Darsteller: Ian Hart, Claire Hackett, Anthony Borrows, David Hart

Stab:
Regie: Stephen Frears
Drehbuch: Jimmy McGovern

Kinostart: 03.01.02

[ Sylvia Görke ]