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Lichter der Vorstadt

Traurig + schön = Kaurismäki

Irgendwie typisch: Auf Wunsch des Regisseurs, der sich kaum öfter als alle vier Jahre zu Wort meldet, wird auf der endlich erschienenen Aki-Kaurismäki-DVD-Kollektion auf alle Specials verzichtet, weil sowieso schon immer zu viel und grundlos gesprochen werde, das schade nur der Stille. Stille ist indes genau das richtige Stichwort. Der neue Film des besonnenen Finnen ist Balsam im lautstarken Getöse der vielen sinnlosen Produktionen, die im Minutentakt in die Kinos kommen. Eine Verschnaufpause von gut 80 Minuten - denn einen längeren Film sollte man nach Kaurismäkis Dafürhalten dem Publikum nicht zumuten.

Zum Abschluß seiner "Trilogie der Verlierer" erzählt er nach WOLKEN ZIEHEN VORÜBER und DER MANN OHNE VERGANGENHEIT von der Einsamkeit des Wachmannes Koistinen, der sich durch die Liebe zur schönen Mirja von einem skrupellosen Gangsterboß einspannen läßt, indem er Mirja den Code zum Juwelierladen preisgibt. Als er ins Gefängnis soll, schweigt er, um Mirja zu schützen. Viel Hoffnung bleibt zum Ende der Trilogie nicht. Der kleine Mann wehrt sich nicht einmal mehr gegen die Kälte und Habgier des Kapitalismus. Der Randexistenz in Helsinkis Hafenbezirk hat er nur seine Träume und seine Treue entgegenzusetzen. Ein romantischer Loser, jedoch ohne Sozialdrama.

Währenddessen herrscht zu den eingewobenen Film-Noir-Versatzstücken stets ironische Distanz. Da sieht man die Femme Fatale nach getaner Arbeit in der Wohnung des Skat kloppenden Gangsters Staub saugen oder fallen zwischen Mirja und Koistinen so unverwechselbare Sätze wie: "Ihr (Wachmänner) seit schon ziemlich rauh." "Nur an der Oberfläche. Wir sind auch nur Menschen."

Vieles davon ist natürlich bekannt, wenn nicht aus Kaurismäkis eigenen Filmen, so aus anderen. Die Melancholie des Blicks, die Ausdruckskraft des Schweigens, die Art und Weise, mit der immer dezent an der Handlung vorbei gefilmt wird. Doch Kaurismäki befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Stilisierungskunst; eine Kunst der Verknappung, der Gradlinigkeit und der Lakonie, die trotzdem immer wieder anrührt und eine starke Empathie für den - beinahe - hoffnungslosen Helden entfaltet. Bleibt die Frage, wie es weitergeht. Mit Koistinen und mit Kaurismäki.

Originaltitel: LAITAKAUPUNGIN VALOT

Finnland/D 2006, 80 min
FSK 6
Verleih: Pandora

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Janne Hyytiäinen, Maria Järvenhelmi, Maria Heiskanen

Regie: Aki Kaurismäki

Kinostart: 28.12.06

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...