An sich ist es ein ziemlich blödes, für Kinder aber eben auch typisches Spiel: Wetten, daß Du nicht ... Und dann muß sich der andere einfach trauen. Sonst ist man raus.
Der Junge Julien und das Mädchen Sophie spielen diesen Reigen mit aller Inbrunst ihrer kindlichen Weltanschauungen. Mal hilft ihnen das Spiel in kesser, mal in recht aggressiver Manier über die Schatten ihrer noch jungen Leben zu hüpfen. Julien muß mit dem Krebstod seiner Mutter klar kommen, Sophie damit leben, als Einwandererkind von den Klassenkameraden als Polackensau beschimpft zu werden.
Und bereits hier tut sich das große Vermögen des noch jungen Regisseurs Yann Samuell auf: er erzählt eben nicht tragisch dräuend von sozialem Mißstand, schwerer Kindheit und der Unerbittlichkeit des Schicksals. Er konzentriert sich vielmehr auf liebevolle Details, skurrilen Witz, die schrägen Frechheiten und das naive Stürmertum seiner kindlichen Eroberer.
Julien und Sophie werden auch im Erwachsenenalter ihr Spiel nicht aufgeben. Nach frivolen Wetten in der Jugendzeit kommen dann aber auch seelische Torturen und gar körperliche Blessuren hinzu. Die Quälerei hat ihre Gründe. Die Hitzköpfe müssen sich verletzen, sich weh tun, gar an die Grenze zur Erniedrigung gehen, um spät, aber zum Glück nicht zu spät, zu ihrer Liebe stehen zu können. Da wird dann das recht unbekümmerte Kinderspiel beinahe zur Tyrannei.
Samuell gelang ein Film über die Dornen einer Liebe, von der verquerer und dabei magischer nicht erzählt werden könnte. Mit beeindruckender Verve, mitunter infantiler Spielfreude und einem labyrinthartigen Erzählstil ist ihm ein eigenwilliger, in manchen Szenen gar an AMÉLIE erinnernder und in seiner so unkonventionellen Struktur doch verblüffender Film gelungen.
Nur ganz zum Schluß bekennt sich Samuell zu einer kleinen Dosis Kitsch, die ein wenig zu konstruiert scheint, gar nachgedreht wirkt, den Film aber dennoch keineswegs in seiner faszinierenden Ungewöhnlichkeit schmälert.
Originaltitel: JEUX D’ENFANTS
F/Belgien 2003, 90 min
Verleih: Alamode
Genre: Drama, Liebe, Erwachsenwerden
Darsteller: Guillaume Canet, Marion Cotillard
Regie: Yann Samuell
Kinostart: 12.08.04
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.