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Liebe zu Besuch

Keine Chance gegen die Kurzen

Kreisch! Oder richtiger gesagt: Heul vor dem Badezimmerspiegel! Alice feiert heute den 40. und erreicht damit, ganz unsichere Geschlechtsvertreterin, gefühlt das Lebensende. Selbiges besteht mehrheitlich aus zwei Töchtern (die ältere eine Verfechterin der selbstdiagnostizierten Depression) sowie Tingeln zwischen hingeworfenen Jobs. Und am Telefon flötet der längst abgeschossene Bloß-noch-auf-dem-Papier-Gatte Austen von Wiedervereinigung. Stop! Alice kehrt New York den Rücken und zum Haus des verstorbenen Vaters zurück.

Parallel implementiert ein zweiter Handlungsstrang drei junge Männer, die vom Kinogeschäft und dessen hinterhältigen Nadelstreifenhaien über den Tisch gezogen werden. Umstände verketten sich, das Trio kommt in Folge einer alkoholgeschwängerten Nacht bei Alice unter, Brechanfälle verhindern eventuell bereubare Annäherung. Zunächst. Denn unsere Doppel-Mama muß bald entscheiden, wer jetzt das Singledasein versüßt: Harry, obwohl das angesichts gebügelter Charakterlosigkeit und nach schmallippiger Lächellähmung aussehenden Grinsens eher eine Na-ja-Wahl wäre? George, kumpelhafter Kreativer und total lieb? Oder der plötzlich unangemeldet auftauchende Austen?

Wenn ein Film den kaum Erwartungsspielraum gewährenden Titel LIEBE ZU BESUCH trägt, liegt’s deutlich auf der Hand: What You See Is What You Get. Versteckte Tiefen zu suchen hat also ebenso wenig Sinn wie das ernsthafte Herbeisehnen überraschender Storywendungen – wobei doch gelinde überrascht, welche Entscheidung Alice schlußendlich trifft. Sollte hier tatsächlich ein originelles Genre-Werk gelungen sein? Solches Prädikat wäre zwar definitiv zu viel der Ehre, zumal das Drehbuch oft einigen Konservatismus (fieser Altersunterschied!) aufbietet. Aber sonnige Bilder erhellen das Herbstgemüt, eine wachsende Damenfeindschaft amüsiert, der frauchenseitig verstörte Zicken-Haushund absolviert eine grandiose Szene, und Reese Witherspoon schöpft beim Darstellen der überspannten Altersgeschockten scheinbar aus eigenen Erfahrungskesseln.

Trotzdem schifft sie, die OSCAR-Preisträgerin, geradewegs ab, und zwar ausgerechnet gegen ihren Leinwandnachwuchs. Keine superklugen Blagen, hochgezüchteten Nervensägen, sondern hinreißende Talente, die sogar den bislang hartnäckigsten Vaterschaftsverweigerer spontan zum Kinderfreund und jenes Romantikstück allein schon sehenswert machen.

Originaltitel: HOME AGAIN

USA 2017, 97 min
FSK 0
Verleih: Splendid

Genre: Komödie, Romantik

Darsteller: Reese Witherspoon, Pico Alexander, Nat Wolff, Jon Rudnitsky, Michael Sheen

Regie: Hallie Meyers-Shyer

Kinostart: 23.11.17

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...