Liebesleben, der Roman der israelischen Autorin Zeruya Shalev war ein Welterfolg und ein Skandal. Vor allem an den freizügigen sexuellen Schilderungen schieden sich die Geister. Maria Schrader, die sich in Deutschland bisher vor allem als Schauspielerin einen Namen gemacht hat, hat aus dem Buch nun ihr Regiedebüt gemacht, das sich eng an die literarische Vorlage anschmiegt.
Die attraktive Studentin Ja’ara scheint ein perfektes Leben zu führen: sie hat einen netten Mann, beste Karriereaussichten und eine Familie, die trotz Turbulenzen zusammenhält É Es braucht wenig Phantasie, um zu erahnen, daß sich hier ein Drama anbahnt, denn nichts ist weniger erzählenswert, als das kleine, oftmals kleinkarierte Glück der ganz normalen Leute. Und so dauert es nicht lange, bis ein Fremdkörper mitten auf Ja’aras schnurgeradem Lebensweg einschlägt und mit seiner Wucht alles ins Wanken bringt. Arie, ein Freund ihres Vaters, ist das komplette Gegenteil ihres Mannes - tyrannisch, egozentrisch und erfahren. Er gibt sich nicht mal ansatzweise Mühe, Ja’ara zu gefallen. Trotzdem ist sie von seiner charmant-brüsken Art fasziniert und verfällt seiner erotischen Anziehungskraft.
Im Zentrum des Buches steht die doppelzüngige Kraft dieser Erotik, die auch demütigende Machtspiele und Unterwerfungsgesten nicht scheut. Auch im Film läßt sich Ja’ara, manchmal lustvoll, aber häufig widerstrebend auf die Spielchen des weltgewandten, aber vom Leben gelangweilten Mannes ein, und der Zuschauer wird unfreiwillig Zeuge der nachhaltigen Demontage ihres bisherigen Lebens. Im Roman bleibt - trotz aller expliziten sexuellen Schilderungen - gerade die fatale Anziehung zwischen diesen beiden so ungleichen Partnern weitgehend der Vorstellungskraft überlassen.
Im Film müssen die Schauspieler die schwierige Aufgabe bewältigen, glaubhaft zu vermitteln, warum eine selbstbewußte junge Frau ihre emotionale und sexuelle Unterwerfung als Befreiung erlebt. Das gelingt ihnen nur bedingt, was nicht einmal an den mangelnden schauspielerischen Fähigkeiten liegt, sondern vor allem am Drehbuch, das mehr Wert auf die Schilderung der diversen sexuellen Eskapaden legt als auf die Beschreibung der Entwicklung der zwischenmenschlichen Beziehung der beiden.
So bleibt der Epilog, in dem Ja’ara sich mit einem letzten Befreiungsschlag der Reste ihres bisherigen Lebens entledigt, im Film nur eine Behauptung, die sich nicht nachvollziehbar aus der Geschichte heraus entwickeln läßt.
D/Israel 2007, 104 min
Verleih: X Verleih
Genre: Drama, Liebe, Literaturverfilmung
Darsteller: Netta Garti, Rade Sherbedgia, Tovah Feldshuh, Stephen Singer
Regie: Maria Schrader
Kinostart: 08.11.07
[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.