I Confess: Ich war skeptisch. Wenn ein Filmexperiment der besonderen Art angekündigt wird, dann zuckt man automatisch zusammen, denn eigentlich geht man ja ins Kino, um Kino zu sehen. Bei LIFE IN A DAY war die Skepsis besonders groß, handelt es sich doch um ein von Ridley Scott initiiertes YouTube-Projekt, schnell fährt einem da durch Mark und Bein: alter Mann und neue Medien! Scott und sein Team riefen YouTube-User auf, den 24. Juli 2010 als einen Tag aus ihrem Leben zu dokumentieren. Und nun ist einzugestehen: Das hat geklappt! Das Ergebnis ist sicher nicht das, was als Kino in Reindefinition läuft, aber es ist sehenswert. Letztendlich galt es, aus über 4500 Stunden Filmmaterial von Teilnehmern aus über 190 Ländern einen Film zu schneiden, der diesen Namen auch verdient. Und das ist Scott und dem federführenden Regisseur Kevin Macdonald gelungen.
Der Chronologie eines Tages folgend, werden kleine „Lebensschnipsel“ verbunden, die anrühren und nachdenklich stimmen, die zum Lachen und zum Weinen taugen. Weil sie echt sind, weil sie vom Aufwachen und Schlafen, vom Essen und Trinken, von Geburt und Tod, von Glück und Krankheit, von Freude und Trauer erzählen. Witzig ist dabei die erste Rasur eines 15jährigen, berührend die schwere, aber überstandene Krebs-OP einer noch jungen Mutter. Um ein wenig thematische Einschränkung bemüht, ziehen sich drei Fragen durch den Film: Wen liebst Du am meisten? Was hast Du in der Tasche? Wovor hast Du die meiste Angst? Nur in wenigen Momenten läßt sich der Film instrumentalisieren, wenn er etwa in ziemlich banaler Schwarzweißmalerei Szenen aus Amerika und Afghanistan gegenschneidet, wenn Armut und Reichtum in gleicher Montagetechnik abgehandelt werden sollen. Dann hat LIFE IN A DAY kurz etwas von einem streberhaften Regierungsauftrag.
Insgesamt betrachtet aber hat der Film durchaus Charme, wenn er auch ein Thema merkwürdigerweise komplett ausklammert, das aber – wenn von Menschen und Liebe die Rede ist – dazugehört: Sex. Da will man jetzt keine pornografischen Wackelbilder sehen, aber sich äußern dürften die Protagonisten doch sicherlich.
Erstaunlich ist die gute Qualität der einzelnen Aufnahmen, und musikalisch wird das Ganze von keinem Geringeren als dem Tüftler Matthew Herbert zusammengehalten.
Originaltitel: LIFE IN A DAY
GB 2010, 95 min
FSK 0
Verleih: REM
Genre: Experimentalfilm
Regie: Kevin Macdonald
Kinostart: 09.06.11
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.