Anderswo ist man mit der Beschreibung von familiären „Tätigkeiten“ entschieden weiter. In Schweden beispielsweise gibt es Bonuspappas und Bonusbarns statt Stiefväter und Stiefkinder. Biologische Tatsachen werden also mit einem viel schöneren, treffenderen Wort benannt. Vertauscht aber bleibt vertauscht. Falsch bleibt falsch, vor allem der Biologie wegen. LIKE FATHER, LIKE SON erzählt davon, allerdings in Japan.
Es ist eine Vorschuluntersuchung, die zum brisanten Wendepunkt wird. Keitas Blut verrät, daß er keinesfalls das leibliche Kind seiner – bisherigen – Eltern sein kann. Die Ursachen sind schnell gefunden: Keita wurde nach der Geburt mit Ryusei vertauscht. Zwei Sechsjährige leben an zwei Orten in zwei Familien. Richtig ist plötzlich falsch. Pro forma.
Regisseur Kirokazu Kore-eda schreibt weiter an seinem Stammbuch. Im Vergleich zum schwer aufrüttelnden NOBODY KNOWS, als es um das Im-Stich-Lassen von Kindern ging, wählt er nunmehr milde Töne. Es geht zunächst um das Einfühlen in eine Zerreißprobe, um wechselnde Perspektiven aus der Kinder- und Erwachsenenwelt, es geht aber auch um eine fremde Kultur, die hinter überfreundlichen Verbeugungen und fast zwanghaftem Lächeln ihre Verwerfungen bereithält. Zum Idealisieren fernöstlicher Gepflogenheiten jedenfalls taugt auch LIKE FATHER, LIKE SON nicht, eher zum besseren Hinsehen. Und das, obwohl sich Kirokazu Kore-eda für fast schon aufreizende Leichtigkeit in der Wahl seiner stilistischen Mitteln entscheidet.
„Ich habe es immer gewußt“ – dieser Satz schwebt fortan über den Nonomiyas wie ein Schwert. Eigentlich sollte es bei den Lösungen, die sie und die Saikis in naher Zeit zu finden haben, um ihre Söhne gehen, doch gerade bei Ersteren drängt erwachsenes Mißtrauen zwischen den Eheleuten in den Alltag. Ryota Nonomiya sagt die verletzenden Worte zu seiner Frau Midori, um Unbehagen zu artikulieren. Er meint wohl sich selbst, denn als Vater war er kaum präsent. Midori hat „den Job“ gleich mit erledigt.
Es ist nur eine dieser Offensichtlichkeiten, die LIKE FATHER, LIKE SON aufbietet und es sich damit etwas leichtmacht. Hier das satte, im Kern aber defizitäre Großstadtleben, dort kleinstädtische (Über-)Lebenslust. Hier das Einzelkind, dort der große Bruder. Hier eher rationaler Pragmatismus, dort das spontane Reagieren auf Situationen. Es ist also das Dazwischen, das hier zählt.
Originaltitel: SOSHITE CHICHI NI NARU
J 2013, 120 min
FSK 0
Verleih: Film Kino Text
Genre: Drama
Darsteller: Masaharu Fukuyama, Machiko Ono, Keita Ninomiya, Riri Furanki, Yoko Maki
Regie: Hirokazu Kore-eda
Kinostart: 02.10.14
[ Andreas Körner ]