Die Handlung ist banal und absurd zugleich: Eine junge Frau, die für Geld mit Männern schläft, um ihr Studium zu finanzieren, soll spät abends noch einen Kunden treffen. Weil sie müde ist, schläft sie ein, bevor sie den Auftrag erfüllen kann. Am nächsten Tag bringt der pensionierte Professor sie zur Uni, wo er einst selbst unterrichtete, und gibt sich als ihr Großvater aus, weil der Freund der jungen Frau eifersüchtig ist.
Der iranische Star-Regisseur Abbas Kiarostami ist bekannt für seine abseitigen Geschichten an der Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit. In dem viel gefeierten Film DIE LIEBESFÄLSCHER treffen sich ein Mann und eine Frau und spielen ein Paar. Wer sie wirklich sind und wie sie zueinander stehen, bleibt in der Imagination des Zuschauers haften. In LIKE SOMEONE IN LOVE sind die Grenzen ähnlich verschwommen. Am Abend sitzt Akiko mit ihrem Zuhälter in einer Bar. Er könnte ihr Vater sein, liebevoll, aber bestimmt redet er mit ihr. Sie weigert sich, den Auftrag anzunehmen, ist doch ihre Großmutter in der Stadt, um sich vom richtigen Leben ihrer Enkelin zu überzeugen. Was allerdings richtig oder falsch ist, weiß Akiko selbst nicht. Denn obwohl sie mit dem Taxi an ihrer Großmutter vorbeifährt, steigt sie nicht aus, sondern hört sich minutenlang die Handynachrichten ihrer Oma an, während sich die Lichter Tokios in ihrem Gesicht spiegeln.
Kiarostamis Kraft liegt in der Ruhe, in der Langsamkeit. Eine gefühlte Ewigkeit bleibt die Kamera an einer Situation kleben, in der nichts Weltbewegendes passiert. Auch die emotionalen Regungen finden unter der Oberfläche statt. Wenn Akiko schreit, sieht man nur das ausdruckslose Gesicht ihres Gegenübers, genauso, als der Eifersüchtige vor der Tür wütet, während sich das Paar hilflos in der Wohnung verschanzt. Als wären sie verliebt. Es ist wieder eine Scheinwelt, die der Regisseur hier entwirft. Sie kennen sich nicht, und trotzdem übernimmt der alte Mann Verantwortung für dieses Mädchen, das wie eine Statistin durch ihr eigenes Leben huscht. Es geht um das, was danach kommt.
Und es ist verdammt schön anzusehen, wie das nie stattgefundene Liebesspiel plötzlich ganze Lebenswelten durcheinanderbringt und im Subtext das Geschäft der käuflichen Liebe auf die Schippe genommen wird. Denn die feine Intimität zwischen der jungen Frau und dem alten Mann zertrümmert jegliche Vorstellung von der Liebe, die Geld fordert. Dafür ist das Kino auch gemacht.
Originaltitel: LIKE SOMEONE IN LOVE
J/F 2012, 108 min
FSK 6
Verleih: Peripher
Genre: Drama, Poesie, Liebe
Darsteller: Rin Takanashi, Tadashi Okuno, Ryo Kase
Regie: Abbas Kiarostami
Kinostart: 27.02.14
[ Claudia Euen ]