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Lilja 4-Ever

Ein Mensch wird zertreten

Dies ist das Drama einer gemeinschaftlich begangenen Vernichtung. Es beginnt mit dem Ende, einem zerdroschenen Gesicht, einem Brückengeländer in Schweden und einem Lied gewordenen Wutausbruch von Rammstein: "Mein Herz brennt."

Diesem Mädchen ist jeder Ausweg von Anfang an verstellt. Nein, es gab nie einen. Vor drei Monaten hat die 16jährige Lilja irgendwo in der ehemaligen Sowjetunion ihre Sachen gepackt, um mit der Mutter und deren neuem Freund nach Amerika zu gehen. Dann hat sie alles wieder ausgepackt, weil die Mutter erst einmal allein fahren wollte. Sie wird nie wieder von ihr hören. Der Umzug in ein vergammeltes Dreckloch, irgendwann ist auch hier der Strom abgestellt, das Essen unerschwinglich teuer. Als sie sich das erste Mal verkauft, kotzt sie den Ekel auf die Straße. Und dann schämt man sich seiner Erleichterung, als es beim nächsten Mal schon besser geht.

Lukas Moodysson wühlt sich mit diesem Film weiter in die Wirklichkeit hinein als je zuvor und streift mit seinem dokumentarischen, gnadenlosen Blick die Grenze zum Erträglichen. Hoffnung kann er niemandem schenken. Er hat ja schon gezeigt, was von Lilja übrig sein wird. Moodysson erzählt nicht. Sein konsequentes Gegenstück zur Selbst- und Weltvergessenheit von Taschengeld, Brachialshopping und der Babydoll-Koketterie von "I’m not that innocent" ist ein ungebremster Fall mit Kamera.

Ohne Paß und schon an einen Zuhälter und seine Kunden verschachert, wird sich Lilja, eingesperrt und zahm geschlagen, im Sehnsuchtsland Schweden wiederfinden. Währenddessen ist ihr kleiner, ewig verrotzter und einziger Freund Volodja mit einer Hand voll Tabletten in den Fußballhimmel gereist. Dabei hätten er und dieses Mädchen für immer leben müssen - so, wie es jedem in Jeansblau und Turnschuhweiß träumenden Teenager verdammt noch mal zusteht.

Schließlich hält es selbst Moodysson nicht mehr mit der Wirklichkeit aus: er macht diese Kinder zu Engeln mit wirklichen Flügeln und entläßt sie in die beruhigende Phantasie. Und wenigstens diese Schwingen werden für immer an ihren Anoraks kleben.

Originaltitel: LILYA 4-EVER

S 2002, 109 min
Verleih: Arsenal

Genre: Drama

Darsteller: Oksana Akinshina, Artiom Bogucharskij

Stab:
Regie: Lukas Moodysson
Drehbuch: Lukas Moodysson

Kinostart: 04.12.03

[ Sylvia Görke ]