Originaltitel: LITTLE MISS SUNSHINE

USA 2005, 100 min
Verleih: Fox

Genre: Komödie, Schräg

Darsteller: Toni Colette, Greg Kinnear, Paul Dano, Steve Carrell

Regie: Jonathan Dayton, Valerie Farris

Kinostart: 30.11.06

2 Bewertungen

Little Miss Sunshine

Familie ist, wo es manchmal weh tut - Ein chaotischer Haufen ringt einem viel Sympathie ab

Der Ursprung allen Übels liegt oft in der Familie. Und die ist in diesem Fall - mit Verlaub - total im Arsch. Die Hoovers: der chauvinistische Opa ist auf Drogen, der Vater coacht alles und jeden auf Erfolg, Sohn Dwayne schweigt seit neun Monaten, der schwule Onkel Frank versuchte, sich die Pulsadern zu zerschneiden, und die ziemlich schräg aussehende kleine Schwester Olive glaubt ganz fest daran, an einem Schönheitswettbewerb teilzunehmen. Erfolgreich versteht sich. Und über allem schwebt die wunderbare Toni Colette als Mater Dolorosa, stets bemüht, die Bande zu zähmen und noch jedem das nötige Verständnis füreinander abzuringen.

Was kompliziert, für den Betrachter jedoch urkomisch ist: der blasse Dwayne will so lange schweigen, bis er endlich zur Fliegerstaffel darf. Er lacht nie, trägt die pechschwarzen Haare im Gesicht, schreibt Zettel, auf denen unmißverständlich zu lesen ist "I Hate Everyone". Sein Vater ist schon wegen eigener Erfolglosigkeit fast manisch vom Spring-über-Deinen-Schatten-Wahnsinn geritten. Wer sich für irgendwas entschuldigt, ist in seinen Augen ein glatter Verlierer. Er ist wahrscheinlich die ärmste Sau im Hoover-Stall. Obwohl: der militante, sexgeile Großvater bescheinigt dem pummeligen Enkel Olive ernsthaft, daß er sie nicht etwa für ihren guten Charakter oder anderes Gedöns liebe, nein, allein wegen ihrer bezaubernden Schönheit. Pardon, aber das Kind ist wirklich häßlich!

Gegenstand des Films ist die Reise zum erwähnten Schönheitswettbewerb, eine Reise, die besten Slapstick, anrührende Momente und brüllkomische Running Gags - im Wortsinn - wie das Während-der-Fahrt-Aufspringen auf einen schrottreifen Bully verspricht. Es ist aber auch eine Reise zum Schmelzpunkt familiären Frostes, eine Reise als Chance, sich zu öffnen und irgendwann zu verstehen. Und damit mogeln sich die zwei Regiedebütanten Dayton und Farris nicht um die Wahrheit herum, daß das ganz klassische Familienmodell ein ausgedientes ist. Alles um uns ist komplexer, komplizierter, vielleicht chancenreicher geworden. Was viele unterdrücken, aber Dayton und Farris eben nicht verschweigen: in dieser neusortierten Welt wird einem immer mehr Rückgrat und - im humanistischen Sinne - auch solidarisches Füreinandereinstehen abverlangt. Und dazu gehört auch, dem Anderen das Spinnerte, das Eigenständige und vor allem die Träume zu lassen. Natürlich hat Olive neben den toupierten Zombiekindern nicht den Hauch einer Chance, natürlich möchte man ob ihres grenzwertigen Auftritts, der gar den pädophilen Moderator aus der Spur bringt, Augen und Ohren schließen. Aber hey, eine deftigere und witzigere Attacke auf den Schönheitswahn der Amis, auf eine Kultur, die durch abgeschmackte Kulturlosigkeit debil feixt, hat es im Kino noch nicht gegeben.

Und das so ganz nebenbei, durch ein kleines Mädchen, das nach vielen Kilometern im VW-Bus, nach Lachern und Tränen, ihre Familie hinter sich weiß. Auch Opi, obwohl der nicht mehr ganz frisch im hinteren Teil der Rostmühle auf erdigere Momente wartet. Irgendwann im Film fällt der Satz: "Tut alle so, als wärt ihr normal". Mehr Liebe und Sympathie kann man den Hoovers nicht antragen.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.