• Meinungen

Little Senegal

Leidenschaftliche Suche nach den Spuren der Ahnen

Alloune weiß, wonach er sucht. Jahrelang hat er geforscht und sich vorbereitet. Er ist nicht ohne Grund aus dem Senegal fortgegangen auf eine Reise, die ihn in die USA führt. Erst in den schwülen Süden, schließlich ins hektisch-kalte New York. Nach mühevollen Recherchen und einigen Rückschlägen findet er Ida. Sie ist der letzte auffindbare Nachfahre seiner Vorväter, die als Sklaven in die "neue Welt" verschleppt wurden. Die unter unbarmherzigen Zuständen in Plantagen arbeiteten und sich schließlich eine Existenz aufbauten.

Alloune läßt sich bei seinem Neffen Hassan nieder, der freiwillig nach New York ging und sich nun mehr schlecht als recht durchschlägt. Er will Ida kennen lernen, heuert an ihrem Kiosk als Helfer an und erlebt sie in all ihrer verbitterten Pracht. Sie hingegen begreift so wenig von dem, was Alloune will und sagt. Sie weist ihn ab und kann ihn doch brauchen in ihrem einsamen Leben. Als Idas Enkelin schwanger ist, Hilfe benötigt, bilden die drei eine ungewöhnliche kleine Familie, und Versöhnung scheint in Sicht. Ida und Alloune werden ein Liebespaar. Doch "Klein-Senegal", wie Neffe Hassan die Gemeinschaft schon abfällig nennt, hat noch einige Wendungen und Klippen vor sich.

Eine ungewöhnliche Faszination geht von Rachid Boucharebs Film aus, der gekonnt die Genregrenzen überschreitet, vom geschichtlichen Terrain im Senegal zum Roadmovie wechselt, um sich in New York schließlich zu vitalem Drama und Liebesgeschichte zu entwickeln. Mittelpunkt ist dabei jede Sekunde lang Hauptfigur Alloune, dessen energische, hartnäckige Suche ihn zugleich sympathisch und furchteinflößend macht - weniger ein durchschnittlicher Held, eher eine Metapher stellvertretend für Generationen von Kindern, Enkeln, Urenkeln, denen die Vorfahren geraubt wurden. Ein Gesandter, der angesichts seines kleinen menschlichen Glücks hilflos wird. Er wird seine Mission aus den Augen verlieren und einen hohen Preis dafür bezahlen. Doch er wird auch die Geister der Vergangenheit endlich ruhen lassen.

Ein dunkles Kapitel der Geschichte Amerikas dient zum Anlaß, um verschiedene Lebenswege und Geschichten zu einem spannenden und hoffnungsvollen Film zu verquicken. Um die Gegenwart zu meistern, braucht es oft nicht nur den Blick in die Vergangenheit, sondern auch den Schritt ins Ungewisse.

[ Roman Klink ]