Winter in Buenos Aires, eine nicht enden wollende Sturzflut ergießt sich vom Himmel, Alma steckt in der abendlichen Dunkelheit mit ihrem Auto in einer Unterführung in einem der schier unendlichen Staus der Stadt fest. Plötzlich wird ihre Tür aufgerissen, ein unbekannter Mann, vollkommen durchnäßt und an einer Hand verletzt, setzt sich zu ihr in den Wagen. Er entschuldigt sich und bittet um eine kurze Atempause. Nach kurzem Zögern gewährt sie ihm diese. Diese zufällige Begegnung wird beide verändern.
LLUVIA, ein Film der argentinischen Regisseurin Paula Hernández, zeigt die vorsichtige Annäherung zweier Menschen, die jeder auf seine Art in eine Sackgasse geraten sind. Alma flieht aus einem Leben, das ihr fremd geworden ist, ohne daß sie sagen könnte, weshalb. Ziellos dreht sie ihre Runden durch die Stadt, schläft seit Tagen im Auto, das zu ihrem Kokon geworden ist, und drückt die Anrufe ihres Freundes weg. Der Familienvater Roberto wiederum kam von Spanien, um in Buenos Aires seinen Vater zu beerdigen, der ihn vor 30 Jahren im Stich ließ. Verbittert erkennt er, daß es nun für immer zu spät ist, den unbekannten Vater zur Rede zu stellen. Ganz allmählich bricht zwischen Alma und Roberto der Panzer auf, den beide um sich errichtet haben. Wohl, weil es mitunter leichter ist, sich einem Fremden zu öffnen, den man nie wieder sehen wird, als den am nächsten stehenden Menschen. Und weil sie beide eine verwandte Einsamkeit, Enttäuschung und Sehnsucht in sich tragen. Auf leise, lakonisch-humorvolle Art kommen sie einander näher.
Hernández erzählt diese im Grunde sehr einfache Geschichte auf eine sehr besondere Weise. Die exzellente Kamera fokussiert in langen Einstellungen die Gesichter der Protagonisten, die nächtliche Szenerie der Stadt mit ihren kühlen, von Blau- und Grüntönen dominierten Interieurs und immer wieder die im Regen verschwimmenden Lichter der Großstadt. Dazu verleiht der großartige Soundtrack des Altmeisters Sebastián Escofet, der auch schon in Iñarritus 21 GRAMM zu hören war, den Bildern einen hypnotisch-meditativen Rhythmus.
Bild und Ton, Inhalt und Form bilden in LLUVIA eine wunderbar komponierte Einheit, die sich am besten auf der großen Leinwand erleben läßt.
Originaltitel: LLUVIA
Argentinien 2008, 110 min
Verleih: Kairos
Genre: Drama, Poesie
Darsteller: Valeria Bertucelli, Ernesto Alterio
Regie: Paula Hernández
Kinostart: 02.06.11
[ Dörthe Gromes ]