Originaltitel: LORO
I 2018, 158 min
FSK 12
Verleih: DCM
Genre: Biographie, Satire, Polit
Darsteller: Toni Servillo, Elena Sofia, Riccardo Scarmaccio
Regie: Paolo Sorrentino
Kinostart: 15.11.18
Er war und ist so einiges: Bauunternehmer, Medienmogul, Politiker, Ministerpräsident Italiens. Korrupt, selbstherrlich bis zur Lächerlichkeit und auf armseligste Art machtgeil. Dazu ein Liebhaber grenzwertig junger Callgirls. Zudem Filmkenner und als solcher ein erklärter Fan des Regisseurs Paolo Sorrentino.
Ist es nicht interessant, wie sich reflexhaft alles in einem sträubt beim Versuch, letzteren zwei Punkten Glauben zu schenken? Schließlich geht es hier um Silvio Berlusconi. Eine, so darf man meinen, kulturlose Knallcharge par excellence. Und doch hat genau dieser Silvio in einer Geste, die irgendwo zwischen generös und souverän zu verorten sein muß, Sorrentino seine Prachtvilla auf Sardinien für die Dreharbeiten an LORO zur Verfügung gestellt. Für einen Film also, der mit so einiger Grandezza die Luft aus einem Aufgeblasenen läßt. Der wie in einem barocken Rausch bonbonbunter Bilder Berlusconi und das Italien, für das er steht – oder besser: das ihn möglich machte – im Delirium eines idiotischen und außerdem ziemlich traurigen Narzißmus’ porträtiert.
Mit LORO entzieht sich Sorrentino einmal mehr den Vorgaben stringent linearen Erzählens. Eine Geschichte in dem Sinne gibt es nicht. Wohl auch, weil sich mit diesem Personal keine erzählen läßt. LORO ist ein Fresko, ein Mosaik. Was auf diesem auch bildästhetischen Level momentan kein Regisseur der Welt so grandios zustande bringt wie Sorrentino, der hier innerhalb einer lose episodischen Rotation unzählige Szenen zum großen Sittenbild verfügt.
Eins, in dem die Tragödie eines Landes und seiner herrschenden Kaste als Travestie aufscheint. Was die Sache in gewisser Weise noch tragischer macht. Allein, weil bei aller Schärfe LORO eine Melancholie durchzieht, die selbst dieser dauergreinenden und totgelifteten Amoral, für die Berlusconi geradezu ikonographisch steht, die Empathie nicht abspricht.
Es ist die Empathie der Tragikomik. Er rieche aus dem Mund nach altem Mann, sagt in einer Szene ein blutjunges Callgirl zu Berlusconi. Und man achte darauf, was Sorrentinos Lieblingsschauspieler Toni Servillo auch daraus, nun ja, Atemberaubendes macht. Und es mag ja sein, daß die Traurigkeit und Müdigkeit, die diesem Film-Berlusconi neben all seiner Lächerlichkeit noch eigen sind, dem Original vollkommen abgehen. Aber Kino ist eben Bigger Than Life, weshalb dann wohl auch ein Berlusconi das Kino liebt. Ob das auch für diesen Film gilt? Wer weiß.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.