Originaltitel: LOVE & MERCY
USA 2014, 120 min
FSK 6
Verleih: StudioCanal
Genre: Biographie, Drama
Darsteller: Paul Dano, John Cusack, Elizabeth Banks, Paul Giamatti
Regie: William Pohlad
Kinostart: 11.06.15
Sein Kampf! Ein langer, zermürbender Kampf, und das, wo er einer der Beach Boys war. Sommer, Surfbrett, California – welch ein dreifach trügerisches Klischee für Brian Wilson! Denn er hielt es mit den Wolken, konnte keine Wellen reiten, und Kalifornien war eh zu klein. Dafür nahm er sich die Welt. Musik ohne Grenzen. 1965, nur vier Jahre nach Gründung, bat Brian seine Brüder Carl und Dennis, Cousin Mike und Freund Allan, künftig beim Touren auf ihn zu verzichten. Er würde ihnen dafür die wundervollsten Songs schreiben, „wenn ihr mich zu Hause laßt.“ Der Rest ist Geschichte, Pop-Geschichte. Und die eines Lebens.
Jener Moment, da Brian Wilson die Band fast anfleht, ist in William Pohlads LOVE & MERCY einer von vielen fürs Schlafittchen. Einer, der von Paul Dano so packend gespielt wird, daß man als Betrachter (und gar nicht mal als Beach-Boys-Fan) die Dimension dahinter förmlich greifen kann. Pohlad erfindet mit seinem Drama weder das Genre Biopic neu noch die Untergattung für Musiker. Er ist nicht so radikal experimentell wie Todd Haynes in seiner Dylan-Hommage I’M NOT THERE, folgt eher dem Ausschnitt-Prinzip von James Mangolds Cash/Carter-Blende WALK THE LINE. War es in Letzterem vor allem die Achterbahnfahrt in der Beziehung der Protagonisten, wechselt LOVE & MERCY zur Innenansicht eines getriebenen Künstlers, gequälten Sohnes und mißbrauchten Patienten. Die wahre Biographie weiß, was der Abspann so beruhigend verkündet: Brian Wilson hat sich noch gefunden, überlebt, blieb bis heute kreativ und griff sein privates Glück.
Genau das ist Regisseur William Pohlad eine Klammer wert. Als der nun ältere, von John Cusack überraschend nuanciert verkörperte Brian im Autohaus auf Melinda Ledbetter trifft, ist an Ruhe, eigene Songs und einen selbstbestimmten Alltag nicht zu denken. Er ist kaputt durch manipulativ verordnete Medikamente seines Arztes. Erst Melinda wird ihn retten. Damals – zunächst in der tückisch sonnigen Zeit mit den Beach Boys, dann in vor musikalischen Ideen fast überspulten Studiozeiten – ist noch der „Sound der Prügel“ vom Vater in ihm. Bad Vibrations statt der guten, wie in einem der großen Hits suggeriert.
LOVE & MERCY gönnt sich viele stimmige Details. Er übertreibt nur ein wenig im akustischen Illustrieren der inneren Stimmen Wilsons, doch das ist verzeihlich. Weil der Rest stimmt. Auch das ist sinnbildlich zu verstehen.
[ Andreas Körner ]